Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochenbrecher (German Edition)

Knochenbrecher (German Edition)

Titel: Knochenbrecher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Flessner
Vom Netzwerk:
Greven nickte. Dusche und Toilette auf dem Gang. Hier gab es das noch.
    Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, tippelten schnelle Füße die Treppe hinunter. Greven brauchte nur ein paar Sekunden, dann war auch er an der Tür. Jührns hatte eine Treppenlänge Vorsprung. Das war viel. Jedenfalls für Grevens Knie. Treppen, besonders steile, waren das größte Hindernis. Nicht etwa Deiche, bei denen er die Länge seiner Schritte frei wählen konnte, deren Steigung er schräg angehen konnte. Treppen schrieben seinem Knie den Rhythmus und die Geschwindigkeit genau vor. Erst die Treppe hatte ihm die Entdeckung der Langsamkeit wirklich verständlich gemacht. Nicht etwa das Buch von Stan Nadolny. Steile Treppen wie diese waren es gewesen.
    Jührns war in Richtung Neuer Weg gelaufen. Durch die schmale Lohne neben dem linken der beiden Neubauten. Sein Vorsprung war doch nicht so groß, wie Greven befürchtet hatte. Der alte Mann war drahtig und kräftig. Aber eben auch schon lange nicht mehr der Jüngste. Greven gab Gas. Jührns’ Storchenbeine verschwanden hinter einer Hausecke. Sekunden später hatte auch Greven sie erreicht. Und grätschte wie ein Betrunkener in ein Damenfahrrad, das in diesem Augenblick in seine Bahn geschoben wurde.
    »Sind Sie verrückt geworden?!«, fuhr ihn eine kugelrunde Frau mit Pudelmütze an. »Rowdy! In Ihrem Alter! Fahrraddieb!«
    »Polizei!«, entgegnete Greven, zog das rechte Bein aus dem Rahmen und suchte auf dem Neuen Weg Jührns’ Beine, die keine dreißig Meter vor ihm auf die Stadtmitte zuliefen.
    »Rowdy! Fahrraddieb!«
    »Scheiße!«
    Doch nicht die hatte Greven erwischt, sondern einen kleinen Jungen, der ein Eis lutschte. Wie eine Billardkugel hatte er die Eiskugel aus der Tüte gekickt, trat sie auf dem Pflaster platt und rutschte darauf einen halben Meter.
    »Scheiße!« Die erdbeerfarben war.
    »Was machen Sie da mit meinem Jungen?!«, fauchte eine Mutter.
    »Polizei! Halten Sie den Mann fest!«, rief Greven ohne jeden Erfolg. Die anderen Passanten spazierten weiter, als wäre Jührns ein harmloser Jogger.
    »Halten Sie den Mann fest! Kriminalpolizei!«, wiederholte Greven.
    »Genau! Halten Sie den Mann fest!«, schrie die Mutter, deren Sohn eine markerschütternde Sirene anstimmte, die ausreichte, um Greven für einen Moment aus der Konzentration zu reißen. Bevor er die dürren Beine des Flüchtenden wieder im Visier hatte, umarmte er einen Leuchtturm, der vor einem Foto- und Souvenirladen als Touristenblickfang aufgestellt worden war. Rot-gelb gestreift. Es war der Pilsumer Leuchtturm, auf dem Greven bäuchlings landete. Erst scheppernd, dann mit einem wimmernden Ton in der Art einer singenden Säge gab das Blech unter ihm nach. Als er sich von dem platten Turm erhoben hatte und durchstarten wollte, packten ihn entschlossene Hände, die zwei kräftigen Männern in schwarzen Lederjacken gehörten.
    »So geht das aber nicht, Kleiner!«, sagte der Dickere der beiden, der ein Kopftuch und auf seiner Hand den Namen Ozzy Osborne als Tattoo trug.
    »Polizei! Lassen Sie mich sofort los!«, wehrte sich Greven, doch den Pranken konnte er nicht entkommen. Selbst mit dem mühsam erlernten Befreiungsgriff konnte er die Lederjacken nicht beeindrucken.
    »Wenn du von der Polizist bist, sind wir die zwei von der Tankstelle«, nölte der andere, dessen runder Kopf in einem Cowboyhut steckte.
    »Genau, die riechen wir doch zehn Seemeilen gegen den Wind. Und du riechst bloß nach Randale, Kleiner!«
    »Lassen Sie mich sofort los. Was immer Sie riechen, ich bin nun mal ein Bulle. Hauptkommissar noch dazu!«
    »Ein Kommissar will er sein«, meinte der Dicke. »Hast du das gehört?«
    »Dann nehmen die inzwischen ja jeden«, sagte der Cowboy, dessen grauer Bart kein junges Kinn mehr verbarg. »Sogar solche, die Kindern Eis klauen und unsern Leuchtturm hier platt machen!«
    »Weißt du eigentlich, was das ist?«, fragte der Dicke und wies mit einer Kopfbewegung auf das verbeulte, gestreifte Blech. »Das ist unser Idol! Unser Freund!«
    »Und mein Aushängeschild!«, mischte sich nun ein Dritter in die Vernehmung. »Danke, meine Herren, dass Sie den Attentäter gestellt haben. Ich habe die Polizei bereits alarmiert.«
    »Nicht nötig, ich bin von der Polizei!«, schnaufte Greven, der Siegfried Jührns längst aus den Augen verloren hatte. »Wenn Sie mich loslassen, zeige ich Ihnen meinen Ausweis!«
    »Wenn wir dich loslassen, machst du die Fliege«, erwiderte der Dicke. »Der Trick ist doch älter

Weitere Kostenlose Bücher