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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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dazu zu bemerken hatte, würde eher dazu beitragen, ihn zu erzürnen, als ihn zu beruhigen, also sagte ich überhaupt nichts. Er trat noch einen Schritt näher an mich heran, bis ich das Glitzern seiner goldgekrönten Backenzähne sehen und den süßen, schweren Duft seines Rasierwassers riechen konnte.
    »Auch Sie«, sagte er. »Auch Sie werden tun, was ich sage. Es gibt niemanden, der sich rühmen kann, Enzo Rivera den Gehorsam verweigert zu haben. Es gibt niemanden, der Enzo Rivera den Gehorsam verweigert hat und noch am Leben ist.« Die Pistole bewegte sich in seinen Händen, und Cal griff nach seiner Lee Enfield, und es war vollkommen klar, was aus den Ungehorsamen geworden war.
    »Sie wären jetzt schon tot«, sagte er. »Und ich möchte Sie töten.« Er schob seinen Kopf auf seinem kurzen Hals nach vorn, die kräftige Nase ragte aus seinem Gesicht heraus wie ein Schnabel, und die schwarzen Augen waren so gefährlich wie Napalm. »Aber mein Sohn … mein Sohn sagt, er würde mich für immer hassen, wenn ich Sie töte … Und deshalb möchte ich Sie erst recht töten, mehr als ich jemals irgend jemanden töten wollte …«
    Er machte noch einen Schritt und drückte den Schalldämpfer gegen mein dünnes Wollhemd, unter dem mein Herz nur wenigeZentimeter entfernt wie verrückt hämmerte. Ich fürchtete, er würde es riskieren, fürchtete, er würde sich ausrechnen, daß Alessandro mit der Zeit über das Scheitern seiner Rennkarriere hinwegkommen würde, fürchtete, er würde glauben, daß die Dinge irgendwie wieder so werden könnten wie an jenem Tag, an dem sein Sohn beiläufig gesagt hatte: »Ich möchte Archangel im Derby reiten.«
    Ich hatte Angst.
    Aber Enzo drückte nicht ab. Er sagte, als folge das eine unausweichlich aus dem anderen, wie es das in gewisser Hinsicht wohl auch tat: »Also werde ich Sie nicht töten … Aber ich werde Sie dazu bringen, zu tun, was ich sage. Ich kann es mir nicht leisten, daß Sie nicht tun, was ich sage. Ich werde Sie dazu bringen …«
    Ich fragte nicht, wie. Einige Fragen sind so dumm, daß man sie besser nicht stellt. Ich konnte spüren, wie mir am ganzen Körper der Schweiß ausbrach, und ich war sicher, daß er die Angst auf meinem Gesicht lesen konnte – und bisher hatte er überhaupt nichts getan, nichts, als mir zu drohen.
    »Alessandro wird Archangel reiten«, sagte er. »Übermorgen. Im Two Thousand Guineas.«
    Sein Gesicht war nun so nah, daß ich die Mitesser in seiner ungesunden, wächsernen Haut sehen konnte.
    Ich sagte nichts. Er verlangte kein Versprechen. Er gab mir einen Befehl.
    Schließlich machte er einen Schritt nach hinten und nickte Carlo zu. Carlo griff nach der Reisetasche und holte daraus einen Knüppel hervor, der dem, den ich ihm in Buckrams Box weggenommen hatte, täuschend ähnlich sah.
    Zuerst etwas Promazin?
    Kein Promazin.
    Sie machten sich keine Umstände, mir die Dinge zu erleichtern, wie sie es für die Pferde getan hatten. Carlo ging einfach direkt auf mich zu, hob seinen rechten Arm mit dem Knüppel und ließ ihn mit der ganzen Wucht, die er aufbringen konnte, niederkrachen. Er schien stolz auf seine Arbeit zu sein. Mit großer Konzentration bemühte er sich darum, daß die Richtung genau stimmte. Und es war auch nicht, was ich am meisten fürchtete, mein verdrehter Ellbogen, auf den er schlug, sondern mein Schlüsselbein.
    Gar nicht so schlimm, dachte ich verwirrt in den beiden ersten Sekunden der Betäubtheit, und außerdem brachen sich die Jockeys bei Jagdrennen andauernd das Schlüsselbein, jeden Tag, und machten auch kein Theater deswegen … Aber der Unterschied zwischen einem Rennsturz und Carlos Bemühungen lag in dem Drehmoment und der Spannung, unter der mein ganzer Arm stand. Diese beiden Dinge wirkten wie einer von Archimedes’ kostbaren Hebeln und rissen die Enden meines Schlüsselbeins auseinander. Als das Gefühl mit grausamer Vehemenz zurückkehrte, spürte ich, wie die Sehnen in meinem Hals sich zu Drähten strafften und von der Anstrengung, meinen Mund geschlossen zu halten, hervortraten.
    Ich sah auf Enzos Gesicht einen grauen Blick des Leidens: schmale Augen, zusammengepreßte Lippen, kontrahierte Muskeln, ängstliche Linien auf seiner Stirn und um die Augen – und begriff mit heftigem Schrecken, daß das, was ich auf seinem Gesicht sah, ein Spiegel meines eigenen war.
    Als sein Kiefer sich ein klein wenig entspannte, wußte ich, daß auch mein Kiefer sich entspannt hatte. Als seine Augen sich ein wenig öffneten

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