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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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hineinsehen.
    »Sie«, sagte er, »Sie kommen mit uns.«
    Seine Stimme war ausdruckslos, ohne Betonung, bedächtig. Er hatte keinen besonderen Akzent, aber er war kein Engländer.
    »Warum?«
    »Sie kommen mit.«
    »Wohin?«
    »Sie kommen mit.«
    »Das werde ich nicht, wissen Sie«, sagte ich freundlich, streckte die Hand aus und drückte auf den Knopf, der die Schreibtischlampe ausschaltete.
    Die plötzliche, totale Dunkelheit verschaffte mir einen Zwei-Sekunden-Vorteil. Ich nutzte ihn, um aufzustehen, nach der schweren, gebogenen Lampe zu greifen und den Fuß mit einem weiten Bogen in die ungefähre Richtung zu schwingen, aus der die Stimme der Maske gekommen war.
    Es gab einen dumpfen Aufprall, als ich zuschlug, und ein Stöhnen. Treffer, dachte ich, aber kein K. o.
    Ohne den Knüppel zu meiner Linken zu vergessen, sprang ich hinter dem Schreibtisch hervor und sprintete zur Tür. Aber niemand verschwendete Zeit darauf, in der Dunkelheit herumzufuchteln, in der Hoffnung, mich zu treffen. Ein Taschenlampenstrahl blitzte auf, fuhr herum, zuckte über mein Gesicht und kam hüpfend hinter mir her.
    Ich sprang zur Seite. Duckte mich. Kam von meinem geraden Weg zur Tür ab und sah aus den Augenwinkeln, daß das Gummigesicht, das ich mit der Lampe getroffen hatte, entschlossen seinem Ziel zustrebte.
    Der Taschenlampenstrahl flackerte von mir weg, kreiste kurz und ruhte schließlich felsenfest auf dem Lichtschalter neben der Tür. Bevor ich ihn erreichen konnte, schoß die schwarzbehandschuhte Hand herunter und klickte die fünf doppelten Wandleuchter an, zehn nackte Kerzenbirnen, die den quadratischen, holzvertäfelten Raum in kaltes Licht tauchten.
    Es gab zwei Fenster mit grünen, bodenlangen Vorhängen. Einen Teppich aus Istanbul. Drei nicht zusammenpassende William-und-Mary-Stühle. Eine Eichentruhe aus dem sechzehnten Jahrhundert. Einen niedrigen Walnußschreibtisch. Es war ein karges Zimmer, Spiegel der kargen und spartanischen Seele meines Vaters.
    Ich war immer der Meinung gewesen, daß der beste Zeitpunkt, eine Entführung zu vereiteln, der Augenblick war, in dem sie begann; daß man sich, wenn man den Marschbefehlen gehorchte, zwar augenblicklichen Schmerz, aber keine Langzeitangst ersparen konnte; daß Entführer später töten mochten, aber nicht am Anfang, und daß ein Mensch, dessen Sicherheit auf dem Spiel stand, töricht wäre, sich kampflos geschlagen zu geben.
    Nun, ich kämpfte.
    Ich kämpfte noch ganze neunzig Sekunden lang, während derer es mir mißlang, die Lichter auszuschalten, durch die Tür zu entkommen oder mich durch eines der Fenster ins Freie zu stürzen. Ich hatte dem Knüppel des einen und der schußbereiten Automatik des anderen nur meine Hände und keine besonderen Fähigkeiten entgegenzusetzen. Die identischen Gummigesichter kamen mit entnervendem Mangel an menschlichem Ausdruck auf mich zu, und obwohl ich – wahrscheinlich unklugerweise – versuchte, einem von ihnen die Maske wegzureißen, erreichte ich nicht mehr, als zu spüren, wie meine Finger über die zähe, glatte Oberfläche glitten.
    Sie zogen den Nahkampf vor, das Opfer an die Wand gedrängt. Da sie zu zweit waren und Meister ihres Gewerbes zu sein schienen, bezog ich in diesen ewigwährenden neunzig Sekunden solche Dresche, daß ich zutiefst wünschte, meine Entführungsvermeidungstheorien nicht in die Praxis umgesetzt zu haben.
    Es endete damit, daß ein Fausthieb in meinem Magen landete, die Pistole mich mit voller Wucht im Gesicht traf, mein Kopf gegen die Holzvertäfelung krachte und der Knüppel das Werk dann irgendwo hinter meinem rechten Ohr krönte. Als ich später wieder zu Bewußtsein kam, war die Zeit nur allzu deutlich fortgeschritten. Ansonsten hätte ich nicht mit dem Gesicht nach unten und schmerzhaft hinter meinem Rücken gefesselten Händen auf dem Rücksitz eines fahrenden Wagens liegen dürfen.
    Für eine schöne lange Zeit glaubte ich zu träumen. Dann wachte mein Gehirn langsam auf und machte mir klar, daß das nicht stimmte. Ich fühlte mich abscheulich unwohl und fror furchtbar, da der dünne Pullover, den ich im Haus getragen hatte, sich als jämmerlicher Schutz gegen eine frostkalte Nacht erwies.
    Mein Kopf dröhnte wie ein Dampfhammer. Peng, peng, peng.
    Hätte ich die dazu erforderliche geistige Energie aufbringen können, wäre ich schrecklich wütend auf mich gewesen, weil ich mich als solcher Schlappschwanz erwiesen hatte. Wie die Dinge lagen, brachte ich jedoch nur unkomplizierte Reaktionen

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