Knochenbruch
und seine Finger entspannten sich keinen Augenblick lang. Ich konnte die zornige Verkrampfung in all seinen Muskeln spüren, wann immer der fahrende Wagen sein Gewicht gegen mich schaukeln ließ.
Der Amerikaner steuerte den Mercedes über die Norwich-Straße nach Norden, aber nur ein kurzes Stück. Direkt hinter den Limekilns und vor der Eisenbahnbrücke schwenkte er nach links in einen kleinen Wald und hielt an, sobald der Wagen von der Straße aus nicht mehr zu sehen war.
Er war auf einer der regulären und häufig überaus bevölkerten Trainingsbahnen stehengeblieben. Der einzige Haken war, daß jeden Nachmittag um vier alle Pferde von der Heide herunter sein mußten und daß es unwahrscheinlich war, daß zu dieser Tageszeit irgend jemand sich dort aufhielt, der mir helfen konnte.
»Raus«, sagte Enzo schlicht; und ich tat, was er sagte.
Es entstand eine kurze Pause, während der Amerikaner, den seine Freunde Cal zu nennen schienen, um den Fond des Wagens herumging und den Kofferraum öffnete. Aus diesem holte er zuerst eine Reisetasche aus Segeltuch hervor, die er an Carlo weiterreichte. Als nächstes förderte er einen langen, dunkelgrauen Gabardine-Regenmantel zutage, den er sich anzog, obwohl das Wetter so gut war wie die Vorhersage. Schließlich zog er noch mit liebevoller Vorsicht eine Lee Enfield 303 heraus.
Aus ihrer Unterseite ragte ein Magazin für zehn Kugeln hervor. Mit großer Bedachtsamkeit drückte er den Schlagbolzen durch, um die erste von ihnen in die Patronenkammer zu befördern. Dann zog er den kurzen Kammerstengel zurück, der den Schußmechanismus in die Sicherheitsstellung brachte.
Ich betrachtete das gewaltige Gewehr, das er mit so großer Vorsicht, aber auch mit solch selbstverständlicher Präzision handhabte. Es war eine Waffe, die mehr der Einschüchterung als dem Töten diente, obwohl eine Kugel von ihr nach allem, was ich wußte, einen Mann aus hundert Metern Entfernung in Stücke reißen konnte, die Backsteinmauern eines Durchschnittshauses wie Butter durchdringen, sich fünfzehn Fuß tief in den Sand bohren konnte und fünf Meilen weit flog, wenn ihr kein Hindernis im Weg stand. Verglichen mit einer Schrotflinte, die schon aus einer Entfernung von mehr als dreißig Metern nicht mehr zuverlässig tödlich war, war die Lee Enfield 303 wie eine Bombe gegen ein Pusterohr. Verglichen mit der Schalldämpferpistole, die nicht einmal so weit wie eine Schrotflinte zuverlässig schoß, gab sie einem Fluchtversuch quer über die Heide genauso große Erfolgsaussichten wie einer Schildkröte bei der Olympiade.
Ich wandte meinen Blick von dem Quell dieser unerquicklichen Gedanken ab und schaute in die starren Augen ihres Besitzers. Er wirkte irgendwie belustigt und kostete offensichtlich die Wirkung aus, die sein Spielzeug auf mich hatte. Soweit ich wußte, hatte ich bisher noch nie einen Mörder kennengelernt; aber jetzt bestand kein Zweifel mehr daran, daß ich einen kannte.
»Gehen Sie dort hin«, sagte Enzo und zeigte mit seiner Pistole auf die Trainingsbahn. Also ging ich los und dachte daran, daß eine Lee Enfield eine Menge Krach machte und daß irgend jemand es hören würde, wenn sie mich damit erschossen. Das dumme war nur, daß die Kugel sich anderthalb mal so schnell bewegte wie der Schall, so daß man tot war, bevor man den Knall hörte.
Cal hatte die große Waffe gelassen unter den langen Regenmantel geschoben und trug sie nach oben gerichtet, indem er die Hand in etwas steckte, das eindeutig ein Schlitz und keine Tasche war. Selbst aus sehr kurzer Entfernung hätte niemand geahnt, daß er sie bei sich hatte.
Nicht, daß irgend jemand zu sehen gewesen wäre. Meine düstersten Vermutungen waren vollkommen zutreffend: Wir traten aus dem kleinen Wäldchen auf das schmale Gebiet der Eisenbahn, und dort war weder ein Pferd noch ein Reiter in Sicht.
Auf der anderen Seite des Feldes, entlang der Eisenbahnschienen, verlief ein Zaun, der aus Holzpfosten mit einem hölzernen Geländer und einfachen Drahtseilen darunter bestand. Hie und da gab es ein paar Büsche, die wie grüne Ausrufezeichen aus der Heide aufragten, und ein friedlicher, spätfrühlingshafter Abendsonnenschein überhauchte alles mit einem rotgoldenen Schimmer.
Als wir am Zaun ankamen, gab Enzo den Befehl stehenzubleiben.
Ich blieb stehen.
»Bindet ihn fest«, sagte er zu Carlo und Cal; und er selbst richtete weiterhin schweigend seine Pistole auf mich, während Cal seinen tödlichen Schatz flach auf den Boden
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