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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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und die allumfassende Spannung etwas nachließ, lag es daran, daß bei mir das Schlimmste vorüber war.
    Es war jedoch kein Mitleid seinerseits. Eher Phantasie. Er versetzte sich an meine Stelle, um auszukosten, was er angerichtet hatte. Schade nur, daß er es nicht gründlicher tun konnte. Ich würde ihm jederzeit einen Knochen brechen, wenn er mich darum bat.
    Er nickte mehrmals heftig, eine Bekundung von Zufriedenheit. Es lag noch immer ein gewaltiger, unverminderter Zorn in seinem Verhalten, und es gab keine Garantie, daß er mit seinem Abendwerk am Ende war. Aber er blickte bedauernd auf seine Pistole hinunter, schraubte den Schalldämpfer ab und reichte beide Teile Cal, der sie unter seinem Regenmantel verstaute.
    Enzo trat ganz nah an mich heran. Sehr nah. Er ließ seinen Finger über meine Wange gleiten und rieb den Schweiß davon zwischen Daumen und Zeigefinger.
    »Alessandro wird Archangel im Guineas reiten«, sagte er. »Denn wenn er es nicht tut, werde ich Ihnen auch den anderen Arm brechen. Ganz einfach.«
    Ich sagte nichts. Konnte nicht, wirklich nicht.
    Carlo band den Riemen von meinem rechten Handgelenk los und legte ihn zusammen mit dem Knüppel in die Reisetasche, bevor sie mir alle drei den Rücken zukehrten und quer über das Feld und zurück durch den Wald zu dem wartenden Mercedes gingen.
    Es war eine lange, qualvolle Millimeterarbeit, meine rechte Hand zu meiner linken zu bringen und den anderen Riemen zu lösen. Danach setzte ich mich, gegen einen der Pfosten gelehnt, auf den Boden, um darauf zu warten, daß die Dinge besser wurden. Es hatte nicht den Anschein, als würden sie mir den Gefallen tun.
    Ich sah auf meine Uhr. Acht Uhr. Zeit zum Abendessen unten im Forbury Inn. Enzo hatte wahrscheinlich seine fetten Knie unterm Tisch und stopfte sich mit bestem Appetit voll.
    In der Theorie war es mir vernünftig erschienen, daß die beste Art und Weise, ihn zu bekämpfen, darin bestand, ihm seinen Sohn zu stehlen. In der Praxis, während ich meinen ernstlich schmerzenden linken Arm behutsam an meine Brust drückte, zweifelte ich daran, daß Alessandros Seele der Mühe wert war. Arroganter, verräterischer, verwöhnter kleiner Bastard … Aber mit Schneid und Entschlossenheit und Talent. Auf einem Mini-Schlachtfeld, zerrissen zwischen der Loyalität seinem Vater gegenüber und der Verlockung, aus sich heraus zum Erfolg zu kommen. Ein Bauer, der in einem Machtkampf hin und her geschoben wurde. Aber dieser Bauer war alles … und wer immer ihn eroberte, hatte das Spiel gewonnen.
    Ich seufzte und erhob mich langsam und vor Schmerzen zuckend wieder auf meine Füße. Niemand außer mir würde mich nach Hause bringen und zusammenflicken.
    Ich ging zu Fuß. Es war weniger als eine Meile. Aber weit genug.
    Der ältliche Doktor war glücklicherweise zu Hause, als ich ihn anrief.
    »Wie meinen Sie das, Sie seien vom Pferd gefallen und hätten sich das Schlüsselbein gebrochen?« wollte er wissen. »Um diese Uhrzeit? Ich dachte, alle Pferde müßten die Heide bis vier verlassen haben.«
    »Sehen Sie mal«, sagte ich müde. »Ich habe mir das Schlüsselbein gebrochen. Würden Sie bitte herkommen und sich darum kümmern?«
    »Hm«, brummte er. »Na schön.«
    Er kam eine halbe Stunde später, ausgerüstet mit etwas, das wie zwei Gummiringe aussah. Ein Rucksackverband, sagte er, während er sich daranmachte, ihn mir über die Schultern zu streifen und dann hinter meinem Rücken zusammenzubinden.
    »Verdammt unbequem«, sagte ich.
    »Na ja, wenn Sie auch vom Pferd fallen müssen …«
    Seine trüben Augen taxierten sein Werk mit leidenschaftsloser Routine. Das Ruhigstellen gebrochener Schlüsselbeine war in Newmarket so normal wie das Austeilen von Hustentropfen.
    »Nehmen Sie etwas Codein«, sagte er. »Haben Sie welches da?«
    »Ich weiß nicht.«
    Er schnalzte mit der Zunge und holte ein Päckchen aus seiner Tasche. »Zwei Stück alle vier Stunden.«
    »Ich danke Ihnen. Wirklich.«
    »Keine Ursache«, sagte er nickend. Dann schloß er seine Tasche und ließ die Schlösser zuschnappen.
    »Wollen Sie einen Drink?« fragte ich, während er mir in mein Hemd half.
    »Dachte schon, Sie würden überhaupt nicht mehr fragen«, erwiderte er lächelnd und widmete sich kurz darauf einem großen Whisky mit derselben Vertrautheit wie seinen Bandagen. Ich leistete ihm Gesellschaft, und der Alkohol half dem Codein beträchtlich auf die Sprünge.
    »Nur so aus Interesse«, erkundigte ich mich, als er die zweite Hälfte seines

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