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Knochenbruch

Knochenbruch

Titel: Knochenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Geschwindigkeit, mit der ich meinen Kopf drehen konnte, falsch eingeschätzt hatte. Alle möglichen Leute konnten am Guineas-Morgen dem Stall einen Besuch abstatten. Jeder der Besitzer, die sich für die Zeit des Rennens in Newmarket aufhielten. Jeder.
    Es war Enzo. Enzo mit seinem schalldämpferbestückten Gleichmacher. Er fuchtelte wie gewöhnlich damit herum. So früh am Morgen, dachte ich bloß. Waffen vorm Frühstück. Wie dumm.
    Es ist aus, dachte ich. Es ist verdammt noch mal aus und vorbei.
    Wenn Enzo früher wütend ausgesehen hatte, so wirkte er jetzt geradezu explosiv. Der kurze, dicke Körper bewegte sich wie ein Panzer um den Schreibtisch herum auf meinen Stuhl zu, und ich wußte, was Alessandro gemeint hatte, als er sagte, ich wisse nicht, wie er sein könne. Enzo oben bei der Eisenbahn war ein Appetithäppchen gewesen – dieser hier der volle Hauptgang.
    Er ging direkt auf mich los, mit einem wilden rechten Aufwärtshaken auf die schönen Bandagen des guten alten Arztes, und raubte mir auf einen Streich den Atem, meine Fassung und den größten Teil meines Widerstands. Ich machte einen ernsthaften Versuch, ihn mit dem Papiermesser zu erwischen, woraufhin er mein Handgelenk gegen die Kante des Aktenschranks krachen ließ. Er war stark und energiegeladen und furchteinflößend, und ich war von Enzo weniger besiegt als überwältigt. Er schlug mir mit der Pistole ins Gesicht, schwenkte sie dann am Schalldämpfer herum und ließ den Griff bösartig auf meine Schulter niedersausen – ich war zu diesem Zeitpunkt schon halb besinnungslos und beinahe jenseits von Angst.
    »Wo ist Alessandro?« schrie er, zwei Zentimeter von meinem rechten Ohr entfernt.
    Ich sackte ziemlich rückgratlos über dem Schreibtisch zusammen. Die Augen hatte ich geschlossen. Ich tat mein dürftiges Bestes, um mit einem Ausmaß an Gefühl fertig zu werden, das praktisch außerhalb meiner Kontrolle stand.
    Er schüttelte mich. Nicht nett. »Wo ist Alessandro?« brüllte er.
    »Auf einem Pferd«, erwiderte ich schwach. Wo sonst? »Auf einem Pferd.«
    »Sie haben ihn entführt«, schrie er. »Sie werden mir sagen, wo er ist. Sagen Sie’s mir … oder ich breche Ihnen die Knochen. Alle.«
    »Er reitet auf einem Pferd«, sagte ich.
    »Das tut er nicht«, rief Enzo. »Ich habe es ihm verboten.«
    »Na ja … er tut es doch.«
    »Auf welchem Pferd?«
    »Was spielt das für eine Rolle?«
    » Welches Pferd? «Er schrie mir praktisch direkt ins Ohr.
    »Lucky Lindsay«, sagte ich. Als wäre das von Bedeutung. Ich schob mich aufrecht auf den Stuhl und schaffte es, die Augen zu öffnen. Enzos Gesicht war nur Zentimeter entfernt, und seine Augen sprachen ein Todesurteil.
    Die Pistole fuhr hoch. Ich wartete wie betäubt.
    »Halten Sie ihn auf«, sagte er. »Holen Sie ihn zurück.«
    »Ich kann nicht.«
    »Sie müssen. Holen Sie ihn zurück, oder ich bringe Sie um.«
    »Er ist seit zwanzig Minuten weg.«
    » Holen Sie ihn zurück! «Seine Stimme war heiser, schrill und ängstlich. Endlich begriff ich, daß seine Wut sich in entsetzliche Angst verwandelt hatte. Aus Zorn war Furcht geworden. In den schwarzen Augen brannte eine unvorstellbare Marter.
    »Was haben Sie getan?« fragte ich starr.
    »Holen Sie ihn zurück«, wiederholte er, als könnte er mit Gebrüll allein alles erreichen. »Holen Sie ihn zurück!« Er hob die Pistole, aber ich glaube, daß nicht einmal er selbst wußte, ob er mich damit erschießen oder schlagen wollte.
    »Das kann ich nicht«, erwiderte ich ausdruckslos. »Sie können tun, was Sie wollen, ich kann es nicht.«
    »Man wird ihn töten«, schrie er wild. »Mein Sohn … mein Sohn wird getötet werden.« Er fuchtelte unkontrolliert mit den Armen, und sein ganzer Körper zitterte. »Tommy Hoylake … In den Zeitungen steht, daß Tommy Hoylake heute morgen Lucky Lindsay reiten würde …«
    Ich rutschte auf die Vorderkante des Stuhls, zog meine Beine an und machte mich schwerfällig an die Aufgabe, mich zu erheben. Enzo versuchte nicht, mich zurückzustoßen. Er war zu beschäftigt mit der entsetzlichen Vorstellung, die vor seinem inneren Auge Gestalt annahm.
    »Tommy Hoylake … Hoylake reitet Lucky Lindsay.«
    »Nein«, sagte ich rauh. »Alessandro reitet ihn.«
    »Tommy Hoylake … Hoylake … Er muß es sein, er muß es sein …« Seine Augen weiteten sich noch mehr, und seine Stimme wurde schriller und schriller.
    Ich hob die Hand und schlug ihm hart ins Gesicht.
    Sein Mund blieb offen, aber die Geräusche, die zuvor

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