Knochenerbe
die Madeleine auf sich genommen hatte, um ihre Jungen in ihrem eigenen Heim zu bekommen.
Mutter berührte Madeleine weder, noch bewegte sie ihre Beine, um sie zu entfernen.
„Was für eine Rasse ist das?“, fragte sie steif.
„Sie ist einfach nur eine Katze, keine reinrassige“, sagte ich verlegen. Konnte es sein, dass Mutter den materiellen Wert Madeleines einschätzen wollte? Meine Katze bewerten wollte, wie sie es mit dem Haus getan hatte? „Soll ich sie herunterheben?“
„Bitte.“ Nach wie vor hatte Mutter sich nicht bewegt.
Endlich begriff ich, was Sache war: Mom hatte Angst vor Katzen! Mehr noch: Sie war steif vor Angst und Entsetzen. Was sie nie zugegeben hätte, denn immerhin war Mutter Mutter. Deswegen hatten wir in meiner Kindheit nie eine Katze gehabt! All ihre Litaneien über Katzenhaare auf sämtlichen Kleidungsstücken und Möbeln, über den Widerwillen, der sie angeblich beim Leeren von Katzenklos überkam – das war alles nur Tarnung gewesen.
„Hast du auch Angst vor Hunden?“, fragte ich fasziniert, nachdem ich Madeleine vorsichtig von Mutters Schoß gehoben hatte, um sie bei mir auf dem Arm hinter den Ohren zu kraulen. Bei Mutter hatte es ihr besser gefallen, aber ein paar Sekunden lang gab sie sich auch mit mir zufrieden, ehe sie durchblicken ließ, dass sie lieber auf den Boden wollte. Von Mutters schreckgeweiteten Augen verfolgt tappte sie hinüber zum Katzenklo. Ich rückte mir die Brille auf der Nase zurecht, um diesen nie dagewesenen Anblick voll zu genießen.
„Ja.“ Mutter löste den Blick von Madeleine. Als sie mein Gesicht sah, war sie sogleich wieder auf der Hut. „Ich habe mir noch nie etwas aus Haustieren gemacht. Um Himmels willen, besorg dir endlich Kontaktlinsen und hör auf, mit dieser Brille rumzuspielen! Du hast nun also eine Menge Geld?“
„Ja“, sagte ich, immer noch ganz begeistert von dem, was ich gerade über meine Mutter erfahren hatte.
„Was hast du damit vor?“
„Ich weiß noch nicht. Ich habe noch keine Pläne. Natürlich muss erst einmal die gerichtliche Testamentseröffnung stattfinden, aber Bubba Sewell meint, das dürfte nicht mehr lange dauern.“
„Er kümmert sich also als Rechtsbeistand um den Nachlass?“
„Er ist der Testamentsvollstrecker.“
„Bubba ist klug.“
„Ja, ich weiß.“
„Er hat Ambitionen.“
„Er will in die Politik, er kandidiert für ein Amt.“
„Dann kann man sich darauf verlassen, dass er alles richtig macht. Wer für ein politisches Amt kandidiert, begibt sich heutzutage ja mehr oder weniger aus freien Stücken unter ein Mikroskop.“
„Er hat mich gebeten, mit ihm auszugehen, aber ich habe ihm einen Korb gegeben.“
„Richtig!“, lobte meine Mutter zu meiner großen Überraschung. „Es ist nie gut, persönliche Beziehungen und finanzielle Transaktionen zu vermischen.“
Was sie wohl von der Vermischung von persönlicher Beziehung und Religion hielt?
„Wie war’s bei euch? Ihr hattet es schön?“, fragte ich.
„Ja, sehr schön. Leider hat sich John eine Art Grippe eingefangen, also mussten wir doch jetzt schon nach Hause. Das Schlimmste scheint er überstanden zu haben, wahrscheinlich ist er morgen schon wieder putzmunter.“
„Er wollte nicht dort bleiben, bis er die Grippe hinter sich hatte?“ Ich persönlich konnte mir nicht vorstellen, mit einer schweren Grippe zu reisen.
„Ich habe vorgeschlagen zu bleiben, aber er wollte nicht krank in einem Hotel herumliegen, wo alle anderen gesund sind und sich amüsieren. Er wollte in sein eigenes Bett. Davon ließ er sich nicht abbringen, da war er sehr stur. Aber bis dahin hatten wir herrliche Flitterwochen.“ Das Gesicht meiner Mutter wirkte fast weich, als sie das sagte, und mir wurde zum ersten Mal klar, dass meine Mutter total verliebt war. Vielleicht nicht auf so kitschige Art wie Amina, aber eindeutig verliebt bis in die Zehenspitzen.
Mir fiel ein, dass John sich in Lawrenceton ja nicht in sein Bett, sondern in das Mutters gelegt hatte. „Hat John sein Haus schon verkauft?“, erkundigte ich mich.
„Einer seiner Söhne will es haben.“ Mutter war nicht anzuhören, wie sie das fand. „Avery, das ist der, dessen Frau das Kind erwartet. Es ist, wie du weißt, ein großes, altes Haus.“
„Wie ist John David dabei zumute? Nicht, dass es mich etwas anginge!“ John David war Johns zweiter Sohn.
„Bestimmt hätte ich mir nie angemaßt, John in Familienangelegenheiten einen Rat zu geben“, meinte Mutter fast schon
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