Knochenerbe
Marcia heiter. Wir verkündeten allerseits, uns auf ein Wiedersehen zu freuen, und sie trottete zurück in ihr Haus.
„Du gehst mit Aubrey Scott aus?“, fragte Mutter, als sie sicher sein konnte, dass Marcia uns nicht mehr hörte. „Über diesen armseligen Polizisten bist du hinweg?“
„Ja zu beiden Fragen.“
Einen Augenblick lang wirkte Mutter fast schon aufgewühlt. „Du hast eine Verabredung mit Bubba Sewell ausgeschlagen, du bist über diesen Arthur Smith hinweg und du gehst mit einem Priester aus“, sagte sie nachdenklich. „Aurora, es gibt ja doch noch Hoffnung für dein Liebesleben.“
Ich sah ihr nach, wie sie die Straße hinunterfuhr, winkte und empfand große Befriedigung bei dem Gedanken an den Schädel, der zwischen ihren Gästedecken steckte.
Kapitel Elf
Als das Telefon klingelte, stand ich unter der Dusche, wo ich in einem Anfall morgendlichen Elans ein Lied angestimmt hatte. Ich ließ mich nicht weiter stören, denn immerhin hatte uns der Himmel ja die Erfindung des Anrufbeantworters geschenkt, und schmetterte weiter aus voller Kehle die Hymne an das Sternenbanner. Wahrscheinlich ist die Dusche der einzige Ort, wo man unsere Nationalhymne singen sollte, vor allem Menschen mit begrenztem musikalischem Talent, wozu ich mich auf jeden Fall zählte. Bei der Haarwäsche ging ich zu einem Potpourri aus meinen Lieblingswerbejingles über, um mich abschließend zu den Klängen des Liedchens von den drei kleinen Entchen trockenzureiben.
Wenn man gern ungestört sang, sprach einiges für das Alleinleben.
Schwer zu sagen, warum mir so feierlich zumute war. An diesem Morgen standen fünf Stunden Arbeit an, danach wollte ich wieder hierherkommen, um mich für die Party am Abend fertigzumachen. Ich freute mich auf Aubrey, aber keineswegs unverhältnismäßig mit Schmetterlingen im Bauch. Ich hatte mich mehr oder weniger an den Gedanken gewöhnt, reich zu sein (auch wenn mir das Wort von Zeit zu Zeit immer noch Wonneschauer über den Rücken jagte), und was den Schädel betraf, so hatte ich die mit ihm verbundenen Probleme erst einmal auf Eis gelegt. Mit kritisch zusammengekniffenen Augen legte ich Lidschatten auf.
„Ich werde heute kündigen!“, teilte ich meinem Spiegelbild mit.
Wie herrlich, das einfach sagen zu können! Einfach so eine so bedeutsame Entscheidung treffen zu können! Geld konnte schon etwas Großartiges sein.
Dann fiel mir der Anruf wieder ein, den ich unter der Dusche verpasst hatte. Immer noch breit grinsend – mein Spiegelbild grinste zurück wie ein leicht dementes Honigkuchenpferd mit einer Wolke aus dunklen Locken um den Kopf – drückte ich den Wiedergabeknopf.
„Roe?“, begann die Stimme sanft und etwas durcheinander. „Robin hier, ich rufe aus Italien an. Phil, der Typ, der meine Wohnung gemietet hat, hat mir deine Nachricht übermittelt, als ich daheim anrief. Geht es dir gut? Er sagte, Arthur hätte jemand anderen geheiratet. Darf ich dich besuchen, wenn ich aus Europa zurück bin? Schreib mir einfach an meine alte Adresse, wenn du das nicht willst. Schreib mir auf jeden Fall, Phil bewahrt meine Post auf, ich kriege deinen Brief dann, wenn ich wieder daheim bin. Was in ein paar Wochen der Fall sein dürfte, höchstwahrscheinlich Ende nächsten Monats. Vielleicht auch früher, mir geht langsam das Geld aus. Auf Wiedersehen!“
Gleich bei den ersten Worten war ich zur Salzsäule erstarrt. Ich setzte mich, atmete flach, drehte die Haarbürste hilflos in den Händen und biss mir auf die Unterlippe. Mein Herz schlug schnell, das muss ich zugeben. Robin war einer meiner Mieter gewesen, ein guter Freund, und eine Zeit lang hatte es fast so ausgesehen, als könne aus uns ein Liebespaar werden. Ich wollte ihn wirklich gern wiedersehen. Jetzt durfte ich darüber nachdenken, wie ich ihm diskret, aber unmissverständlich mitteilen konnte, dass ich mich nach seiner Rückkehr aus Europa sehr über einen Besuch von ihm freuen würde. Er sollte auf keinen Fall denken, ich säße hier sozusagen mit heraushängender Zunge und hätte nur ihn im Sinn, aber ich wollte wirklich gern, dass er vorbeikam, sollte ihm in ein paar Wochen noch danach zumute sein … Und mir mit diesem Brief konnte ich mir ruhig Zeit lassen.
Ich bürstete mein Haar, das daraufhin zu knistern begann und noch wilder herumflog. Kurz entschlossen fasste ich es zusammen, aber nicht dicht am Kopf, wie bei einem „richtigen“ Pferdeschwanz, sondern tiefer, was nicht ganz so bieder aussah. Um das Haarband
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