Knochenerbe
mich dann wohl lieber wieder zu meinem armen kranken Mann“, seufzte Mutter zärtlich.
Wie schön es war, sie so reden zu hören. Ohne nachzudenken lächelte ich ihr zu. „Ich freue mich für dich!“, sagte ich und meinte es aus ganzem Herzen ehrlich.
„Ich weiß.“ Sie suchte ihre Handtasche und die Schlüssel zusammen, und ich stand auf, um sie zu ihrem Auto zu begleiten.
Sie erzählte mir gerade von einer Dinnerparty, die eine alte Freundin ihr und John zu Ehren veranstalten wollte, und ich fragte mich, ob es wohl möglich wäre, dort mit Aubrey aufzutauchen, als Marcia Rideout aus ihrem Haus kam. Erneut trug sie ein frisch gebügeltes, fesches Ensemble aus Shorts und passender Hemdbluse, und ihr Haar war, soweit ich das auf den ersten Blick beurteilen konnte, seit unserem letzten Zusammentreffen einen Tick hellblonder geworden.
„Ist das da Ihre Mama, Roe?“, rief sie mir schon von Weitem her zu. „Hätten Sie kurz ein Minütchen Zeit für mich?“
Wir erwarteten sie mit jeweils einem höflichen, erwartungsvollen Lächeln auf den Lippen.
„Aida, Sie erinnern sich vielleicht nicht mehr an mich.“ Marcia neigte kokett den Kopf. „Aber Sie und ich saßen vor ein paar Jahren zusammen im Festausschuss für das Herbstfest.“
„Natürlich!“ Mutter hatte auf professionelle Wärme umgeschaltet. „Das Fest ist uns in dem Jahr ganz besonders gut gelungen, nicht wahr?“
„Ja, aber es war auch viel Arbeit! Viel mehr, als ich mir je erträumt hatte. Wir sind ja alle so begeistert, dass Roe in unsere Straße zieht! Ich weiß nicht, ob sie es Ihnen schon erzählt hat oder nicht, Sie waren ja, wie ich hörte, auf Hochzeitsreise, aber Torrance und ich geben eine kleinen Party für Roe und für die beiden anderen neuen Nachbarn.“ Die hellblonde Haarpracht neigte sich in Richtung des Häuschens mit den gelben Fensterläden. „Die Feier ist morgen. Wir würden uns so freuen, wenn Sie und Ihr neuer Mann auch kommen könnten.“
Mutter brachte so schnell nichts aus der Fassung. „Das ist sehr lieb von Ihnen, aber ich fürchte, John hat sich auf den Bahamas eine Grippe eingefangen“, sagte sie. „Vielleicht können wir es ja so machen: Ich komme kurz vorbei, aber wirklich nur kurz, um Auroras neue Nachbarn kennenzulernen. Sollte sich mein Mann besser fühlen, kommt er unter Umständen mit. Kann ich das so vage stehenlassen?“
„Natürlich! Natürlich! Der arme Mann, eine Grippe, bei diesem schönen Wetter und noch dazu auf seiner Hochzeitsreise. Was tut der Ärmste mir leid!“
„Wer sind denn die anderen Neuen in der Straße?“, erkundigte sich meine Mutter, um Marcias bedauernden Wortschwall zu bremsen.
„Ein Polizist und seine frischgebackene Ehefrau, ebenfalls Polizistin – und sie kann jetzt jeden Moment ihr Kind bekommen! Ist das nicht aufregend? Noch nie hatte ich einen Detective in meiner Bekanntschaft, und nun wohnen gleich zwei in meiner Straße. Jetzt kann uns ja nicht mehr viel passieren, wir können uns sicher fühlen, was? Es hat hier in den letzten Jahren ja ein paar Einbrüche gegeben, aber damit wird es nun vorbei sein. Ihre Tochter kann sich bei uns absolut sicher fühlen.“
„Könnte es sich bei dem Detective um Arthur Smith handeln?“, fragte Mutter, Dauerfrost in jedem Wort. Ich spürte förmlich, wie sich meine Gesichtsmuskeln verkrampften. Anscheinend hatte meine Mutter ein ziemlich konkretes Bild von meiner Beziehung zu Arthur, obwohl sie nie hatte durchblicken lassen, was sie wusste oder ahnte, obwohl wir nie darüber gesprochen hatten. Unter dem Vorwand, meine Brille putzen zu müssen, wandte ich das Gesicht ab.
„Ja. Er ist ein so ernster junger Mann, und attraktiv noch dazu. Natürlich nicht so attraktiv wie der Mann, mit dem Roe ausgeht.“ Marcia zwinkerte mir tatsächlich zu.
„Ach, finden Sie?“, meinte Mutter herzlich. Ich biss mir auf die Oberlippe.
„Auf jeden Fall! Der Pastor ist so groß und dunkel, ich schwärme für große dunkle Männer – deswegen habe ich ja auch meinen Torrance geheiratet – und dann dieser Schnurrbart! Vielleicht darf ich das ja gar nicht sagen, schließlich handelt es sich um einen Geistlichen, aber dieser Schnurrbart ist einfach sexy.“
Mutter hatte sich die Beschreibung in Ruhe angehört und eins und eins zusammengezählt. „Ich werde auf jeden Fall versuchen zu kommen, herzlichen Dank für die Einladung“, sagte sie sehr höflich, aber auch eindeutig abschließend. „Dann gehe ich jetzt mal wieder putzen“, sagte
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