Knochenerbe
verschmitzt, „denn John und ich haben vor unserer Eheschließung einen Ehevertrag geschlossen.“
Das war mir neu, und ich war erleichtert. Bisher hatte ich mir um diese Fragen noch nie Gedanken gemacht, aber plötzlich wurden mir die vielen Komplikationen bewusst, die sich ergeben konnten, wenn bei einer Heirat beide Parteien bereits erwachsene Kinder hatten. Ich hatte nur darüber nachgedacht, was Mutter mir hinterlassen würde, wenn sie, sagen wir, heute stürbe. Aber Mom hegte, wie bereits gesagt, großen Respekt vor Geld und Besitz und hatte natürlich alles bestens geregelt.
„Also habe ich John keinen Rat gegeben“, fuhr Mutter fort. „Ich habe nur laut nachgedacht, während er sich über das fairste Vorgehen klarzuwerden versuchte.“
„Hat er dich nicht um Rat gebeten? Wenn es um Fragen des Grundbesitzes geht, bist du doch der logische Ansprechpartner.“
„John hat sich bei mir nach dem momentanen Marktwert seines Hauses erkundigt.“
„Aha?“
„Daraufhin habe ich eine Bewertung vornehmen lassen, und ich glaube – ich weiß es wirklich nicht, ich glaube nur –, dass er Avery das Haus überschieben und John David den Gegenwert in bar gegeben hat.“
„Dann lag John David nichts am Haus?“
„Nein, seine Arbeit bringt es mit sich, dass er alle paar Jahre umziehen muss. Welchen Sinn hätte ein Haus in Lawrenceton da für ihn?“
„Na, das Problem war ja leicht zu lösen.“
„Jetzt werde ich dir sagen, was ich in Bezug auf mein Haus veranlasst habe.“
„Ach Mutter!“, protestierte ich.
„Oh ja!“, sagte sie entschieden. „Du musst das wissen.“
„Na gut“, sagte ich zögernd.
„Ich glaube, ein Mann muss wissen, dass das Haus, in dem er lebt, seins ist“, sagte Mutter, „und da John sein Haus aufgegeben hat, habe ich ihm meins hinterlassen, auf Lebenszeit. Wenn ich vor ihm sterbe, darf er bis an sein Lebensende darin wohnen. Das fand ich nur gerecht. Aber wenn John auch tot ist, gehört es natürlich dir, und du darfst damit tun, was du möchtest.“
Anscheinend wollte mir gerade alle Welt Häuser hinterlassen! Aber von Mutter würde ich nicht nur das Haus, sondern auch ihren Betrieb und ihr Geld erben – plötzlich wurde mir klar, dass ich Zeit meines Lebens keinen einzigen Tag mehr zu arbeiten brauchte, wenn ich nicht wollte.
Eine verwirrende Vorstellung.
„Was immer du tust, mir soll es recht sein“, versicherte ich hastig, als mir klar wurde, dass Mutter mich sehr seltsam ansah. „Ich möchte nur nicht mehr darüber sprechen.“ „Irgendwann müssen wir es tun“, warnte sie.
Was war nur mit ihr los? Hatte die Hochzeit bei ihr ein Gefühl für die eigene Sterblichkeit geweckt – oder verstärkt? Lag es am Ehevertrag, in dem festgelegt war, was nach ihrem Tode geschehen sollte? Mutter war eben aus den Flitterwochen zurück, sie sollte nicht über den Tod nachdenken.
„Warum möchtest du plötzlich über all diese Dinge reden?“, fragte ich sie geradeheraus.
„Ich weiß nicht“, sagte sie nach einigem Nachdenken. „Ich bin sicher nicht in der Absicht hergekommen, das Thema zur Sprache zu bringen. Ich wollte dir von unserem Hotel und vom Strand erzählen und von den Touren, die wir unternommen haben, aber irgendwas hat mich abgelenkt. Vielleicht lag es an unserem Gespräch über die Dinge, die Jane dir hinterlassen hat; möglicherweise brachte mich das auf die Vorkehrungen, die ich selbst für meinen Nachlass getroffen habe. Obwohl du mein Erbe natürlich jetzt nicht mehr so dringend brauchst. Es kommt mir seltsam vor, dass Jane ihr Geld und ihren gesamten Besitz jemandem hinterlassen hat, der nicht zu ihrer Familie gehörte und mit dem sie noch nicht einmal besonders eng befreundet war.“
„Mir kommt es auch seltsam vor“, gestand ich. Schließlich konnte ich meiner Mutter schlecht erzählen, dass Jane mir alles hinterlassen hatte, weil sie sich in mir wiedererkannt hatte: alleinstehend und ein Bücherwurm. Auch in einem anderen Punkt waren wir verwandte Seelen: Uns beide hatten Bücher über den Tod fasziniert. „Einer Menge anderer Leute wird es ebenfalls seltsam vorkommen.“
Mutter schwieg. Vielleicht erwartete sie, dass ich sie noch weiter über Janes Motive oder meine Beziehung zur Verstorbenen aufklären würde.
„Ich freue mich für dich“, sagte sie schließlich, als klar war, dass keine Erklärungen mehr zu erwarten waren, „und ich glaube nicht, dass wir uns um das Gerede anderer kümmern müssen.“
„Danke.“
„Ich begebe
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