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Knochenerbe

Knochenerbe

Titel: Knochenerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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zusammenzucken. Ich hatte auf dem Boden gesessen, so in meinen Kummer vertieft, dass ich niemanden hatte vorfahren hören. Nun rappelte ich mich auf, sah vorsichtig durch den Spion – und riss die Tür weit auf. Vor mir stand eine elegante Frau, mindestens so sorgfältig zurechtgemacht wie Marcia Rideout und kühl wie eine frische Brise im Frühling. Die Hitze schien ihr nicht das Geringste auszumachen. Sie war gute zehn Zentimeter größer als ich und sah aus wie Lauren Bacall.
    „Mutter!“ Ich umarmte meine Besucherin glückstrahlend, aber kurz. Meine Mutter liebte mich, daran konnte kein Zweifel bestehen, aber sie liebte es nicht, wenn man ihr die Garderobe durcheinanderbrachte.
    „Aurora!“ Sie strich mir übers Haar, ebenfalls nur kurz.
    „Seit wann seid ihr zurück? Komm rein!“
    „Wir sind gestern spät angekommen.“ Mutter sah sich prüfend um. „Heute wollte ich dich gleich nach dem Aufstehen anrufen, aber du warst nicht zu Hause. In der Bibliothek warst du auch nicht. Als ich bei mir im Büro anrief, hat mir Eileen die Sache mit dem Haus verraten. Wer war die Frau, die dir das Haus hinterlassen hat?“
    „Wie geht es John?“
    „Lenk nicht ab. Du weißt, dass ich dir später alles von unserer Reise erzähle.“
    „Jane Engle. John kennt – kannte sie. Wir waren zusammen bei Echte Morde.“
    „Na, den Club gibt es ja nicht mehr“, kommentierte Mutter trocken. Es war ihr schwergefallen, John einmal im Monat zum Treffen einer Vereinigung gehen zu lassen, die ihr fast schon obszön vorkam.
    „Ja. Jane und ich hatten uns im Club angefreundet. Sie war nie verheiratet, also hat sie nach ihrem Tod ihren … Besitz mir hinterlassen.“
    „Ihren Besitz!“, wiederholte Mutter mit einer gewissen Schärfe. „Worin besteht der nun genau, wenn du die Frage gestattest?“
    Ich hatte die Wahl: alles gestehen oder die Aussage verweigern. Wenn ich sie verweigerte, würde Mutter sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Verbindungen spielen lassen, um trotzdem an die Wahrheit heranzukommen, und Mutter hatte eine Menge Verbindungen, die sie spielen lassen konnte.
    „Jane Engle war die Tochter Mrs. John Elgar Engles“, erklärte ich ihr.
    „Die Mrs. Engle mit dem wunderschönen Haus in der Ridgemont Avenue? Das für achthundertfünfzigtausend wegging, weil es renovierungsbedürftig war?“
    Wie gesagt: Mit Immobilien kannte Mutter sich aus.
    „Ja, Jane war die Tochter dieser Mrs. Engle.“
    „Da gab es doch aber auch noch einen Sohn.“
    „Ja, aber der ist auch schon tot.“
    „Mrs. Engle starb erst vor zehn, fünfzehn Jahren, das Geld kann deine Freundin unmöglich alles verbraucht haben, wenn sie hier lebte.“ Mutter hatte das Haus mit einem Blick geschätzt.
    „Ich glaube, das Haus war fast bezahlt, als Janes Mutter starb“, sagte ich.
    „Du hast also das Haus geerbt.“ Mutter nickte.
    „Ja, und fünfhundertfünfzigtausend Dollar“, verkündigte ich mutig. „Plus etwas Schmuck.“
    Mutter blieb der Mund offen stehen. Ich glaube, es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich sie so in Erstaunen versetzt hatte. Mutter war beileibe keine geldgierige Frau, hatte aber großen Respekt vor Bargeld und Grundbesitz und beurteilt auch ihren Erfolg als Geschäftsfrau danach. Jetzt ließ sie sich leicht erschüttert auf mein Sofa sinken, wo sie automatisch die Beine in der Designersporthose verschränkte. Mutter trug Hosen im Urlaub, bei Pool-Partys und an Tagen, an denen sie nicht zur Arbeit ging. Sie hätte sich lieber ausrauben lassen, als Shorts anzuziehen.
    „Natürlich besitze ich jetzt auch noch die Katze und deren Junge“, fügte ich hinterhältig hinzu.
    „Die Katze“, wiederholte Mutter benommen.
    Diesen Augenblick erwählte sich das gerade erwähnte Katzenwesen, das seine Nachkommenschaft im Kleiderschrank zurückgelassen hatte, für seinen großen Auftritt, begleitet von einem bejammernswerten Chor aus vier Kätzchenkehlen. Mutter entschränkte die Beine, beugte sich vor und sah Madeleine an, als hätte sie noch nie zuvor eine Katze gesehen. Madeleine stolzierte zur Couch, hockte sich vor Mutters Füße, erwiderte Mutters Blick mit erbarmungslosem Starren und sprang in einer einzigen, anmutigen Bewegung auf die Couch, wo sie es sich auf Mutters Schoß bequem machte. Meine Mutter war so entsetzt, dass sie sich nicht zu rühren vermochte.
    „Ist das …“ Sie räusperte sich. „Ist das die Katze, die du geerbt hast?“
    Ich erzählte ihr die Geschichte von Parnell Engle und der Odyssee,

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