Knochenfinder
nicht abgeschlossen.«
Natascha. Winterberg stieg aus, knallte die Autotür zu und rieb sich die schmerzende Stelle am Kopf. »Bleibt da oben, ich schicke euch noch jemanden! Rührt nichts weiter an!«
Er beendete das Gespräch und rannte zurück ins Gebäude. Die GS 4 befand sich im Erdgeschoss. Hektisch klopfte er gegen die verschlossene Glastür, die zu den Räumen dieser Einheit führte. Er wollte keine Zeit damit verschwenden, seine Codekarte zu suchen und mit ihr den Eingang zu öffnen. Ein uniformierter Kollege ließ ihn hinein und sagte irgendetwas zu ihm, aber Winterberg hörte dem Mann nicht zu. Er rannte einfach durch den Gang und brüllte laut den Namen von Steinhaus.
»Was ist denn los?« Der junge Polizist kam aus einem der Büros und sah ihn erschrocken an.
Auch andere Mitarbeiter schauten neugierig aus ihren Arbeitszimmern, manche von ihnen in voller Montur: bereit, sofort zu einem Notfall zu eilen. Doch Winterberg interessierte sich nicht für sie.
»Steinhaus, fahr sofort in das Waldgebiet Dautenbach«, befahl er dem jungen Kollegen. »Eine Streife hat da oben ein herrenloses Mountainbike gefunden.«
Steinhaus wurde bleich. »Was?«
»Ja. Kümmert euch darum, und ruft mich sofort an. Ich muss zu den Eltern des Vermissten, und Lorenz ist in der Schule. Wir dürfen in dieser Sache keine Zeit verlieren! Aber wir müssen auch wissen, was mit Natascha passiert ist. Also los!«
»Ich komme mit!« Ein anderer Kollege schloss sich Steinhaus an.
Die beiden verließen eilig den Trakt und rannten zu einem der Streifenwagen im Hof. Sekunden später brauste der Wagen davon.
Winterberg schluckte, während er nach draußen ging. Er hatte bei der ganzen Sache ein verdammt schlechtes Gefühl, aber er musste sich dringend um die Suche nach René kümmern. Viel zu viel Zeit war bereits verstrichen, in der sie noch keinen Schritt weitergekommen waren. Und jetzt auch noch Natascha!
Sein Handy klingelte erneut.
»Steinhaus?«, fragte er atemlos und blieb stehen.
»Nein, Hannes, ich bin’s, Ute.«
»Ach, Ute.« Er hatte völlig vergessen, dass er zu Hause noch eine weitere Baustelle hatte. Dass er Ute einfach die Probleme mit Niklas vor die Füße geworfen und es ihr vorerst alleine überlassen hatte, damit fertigzuwerden.
»Ich war an der Schule. Alles ist in Ordnung, Niklas ist da. Er hat sich zwar umgedreht, als er mich gesehen hat, aber er ist wenigstens nicht abgehauen. Ich werde ihn heute Mittag abholen, damit er es sich nicht plötzlich anders überlegt. Zufrieden?«
Winterberg schloss die Augen. Es hätte ihm gerade noch gefehlt, nun auch nach seinem Sohn suchen zu müssen. »Danke, Ute.«
»Wenn ich ehrlich bin, habe ich es in erster Linie für mich gemacht, damit ich mich beruhigen kann. Aufgrund deiner eigenmächtigen Aktion letzte Nacht habe ich jetzt verdammt viele Sorgen, Hannes. Und zudem muss ich damit noch allein klarkommen.« Sie atmete aus, was wie ein lautes Pusten in den Hörer klang.
»Tut mir wirklich sehr leid. Aber ich weiß ohnehin schon nicht mehr, wo mir der Kopf steht.« Seine Entschuldigung war ernst gemeint, und er hoffte, dass es auch bei Ute so ankam.
Sie verabschiedete sich und legte auf.
Winterberg war erleichtert. Wenigstens bis heute Mittag würde er keine Hiobsbotschaften von zu Hause hören.
Das hoffte er zumindest.
Kapitel 48
Simon Steinhaus fuhr mit mehr als sechzig Stundenkilometern durch die Dreißigerzone, umrundete schwungvoll geparkte Autos und vertraute darauf, dass der Gegenverkehr dem Streifenwagen Vorrang ließ. Die knisternden Laute des Funkverkehrs, die permanente Geräuschkulisse durch die Zentrale, waren zu einem leisen Hintergrundrauschen geworden.
Für all das war er im Moment nicht aufnahmefähig. Für ihn galt allein die Frage, ob es sich bei dem Mountainbike um Nataschas Fahrrad handelte. Er würde es zweifelsfrei erkennen, denn sie hatte einen Aufkleber auf der Querstange des Rahmens. »Ich bremse auch für Tiere« stand darauf. Er hatte sich über den Sinn des Etiketts gewundert, denn andere Verkehrsteilnehmer würden es wohl kaum lesen können. Aber immerhin traute er Natascha zu, genau das zu tun, was der Text verkündete: für Tiere zu bremsen. Selbst für Käfer, Grashüpfer und Hummeln – und für alles andere Getier, das von einem Rad überfahren werden konnte.
Simon erreichte den Wanderparkplatz, auf dem eine Hand voll Frauen mittleren Alters mit Nordic-Walking-Stöcken stand. Sie wichen seinem Wagen empört aus und blickten ihm
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