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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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eine Lehrstunde in Zivilcourage gewesen, sondern hatte ihm auch Einblicke in ein Vater-Sohn-Verhältnis gegeben, das sich von seinen eigenen Erfahrungen unterschied. Plötzlich wusste er, wie er das Problem mit Niklas und seiner eigenen Befangenheit lösen könnte. Als Polizist und als Vater.
    Aber jetzt war es seine Aufgabe, sich weiter um seinen Fall zu kümmern. Entschlossen stand er auf und schnappte sich den Autoschlüssel. Er musste noch einmal mit Renés Eltern sprechen, sie nach den Filmen fragen und sie dadurch erneut mit Wahrheiten konfrontieren, mit denen sie möglicherweise nur schwer zurechtkommen würden.

Kapitel 46
    Natascha erwachte mit dumpfen Kopfschmerzen. Sie hatte das Gefühl, als habe jemand ihren Schädel in einen Schraubstock gesteckt. Dann drehte sie den Kopf, blinzelte mit den Augen und versuchte, sich umzusehen. Wo war sie?
    Um sie herum war es düster, und ihre Augen brauchten einen Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Doch dann bildeten sich langsam schwarze Schemen im diffusen Grau, und sie konnte sich orientieren. Sie drehte den Kopf. Hinter ihr war Felsgestein zu erkennen: Es hatte den Anschein, dass sie in einer Höhle war. Irgendwo im Hintergrund tropfte es.
    Außerdem war sie gefesselt, und zwar auf eine komplizierte Art. Ihre Handgelenke waren nicht einfach auf dem Rücken zusammengebunden, sondern es führten von dort Stricke zu den ebenfalls gefesselten Fußknöcheln, sodass sie sich kaum zu rühren vermochte. Sobald sie einen Arm oder ein Bein bewegte, jagte ein beißender Schmerz durch alle Hand- und Fußgelenke.
    Sie dachte kurz daran, um Hilfe zu rufen, doch es schien ihr zu riskant. Wenn sie von ihrem Entführer wirklich in eine Höhle verschleppt worden war, würde sie hier nur eine einzige Person hören – und genau diese Person sollte sie auf keinen Fall hören, wenn sie um Hilfe rief. Sie würde Zeit brauchen, um einen Plan zu entwickeln, wie sie sich aus dieser Situation wieder befreien könnte. Und bis sie wusste, was sie tun sollte, war es ratsam, sich so still wie möglich zu verhalten.
    Natascha biss die Zähne zusammen. Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, in welch hilfloser Lage sie sich befand. Sie konnte sich nicht bewegen, konnte nicht richtig sehen und hatte zudem einen brennenden Durst. Und es war kalt. Der blanke Boden unter ihr war feucht, und ihre Kleidung fühlte sich klamm an. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie zitterte und mit den Zähnen klapperte: ein leises, anhaltendes Geräusch, das in ihrem Kopf widerhallte. Sie spürte eine stark schmerzende Stelle am Hinterkopf; wahrscheinlich gab es dort eine riesige Beule. Wären ihre Arme nicht gebunden, würde sie die Beule abtasten und untersuchen, ob sie stark am Kopf geblutet hatte. Sie war von ihrem Entführer brutal niedergeschlagen worden, als sie versucht hatte, vor ihm davonzulaufen.
    Von den grob behauenen Steinen ringsum tropfte mehr oder weniger regelmäßig Wasser, es war nervtötend wie das zu laute Ticken einer Uhr. Im Hintergrund flatterte etwas an der Höhlendecke entlang, wahrscheinlich war es eine Fledermaus. Natascha schluckte die aufkommende Bitterkeit hinunter. Wie hatte ihr das nur passieren können? Sie war doch Polizistin, war sportlich und konnte schnell laufen. Aber all das hatte ihn nicht beeindruckt: Er war einfach auf sie zugerannt und hatte sich nicht aufhalten lassen. Warum nur hatte sie das verdammte Handy nicht aus ihrer Tasche ziehen können? Hätte sie nur eine andere Hose angezogen! Natascha verdrehte ihren Kopf und versuchte, einen Blick auf ihre Hosentasche zu werfen. Doch es gelang ihr nicht. Sie drehte sich leicht nach links, um ihre Hüfte und ihren Oberschenkel gegen den Boden zu drücken und so vielleicht das Telefon zumindest zu spüren. Nichts. Sie fühlte ihre Hüftknochen, aber kein Handy. Natascha schloss die Augen und schluckte schwer. Sie fühlte sich so schrecklich hilflos. Aber mit Selbstvorwürfen würde sie nicht weiterkommen. Sie allein hatte sich in diese Situation gebracht – aber ohne fremde Hilfe würde sie hier nicht mehr herauskommen. Welch bittere Erkenntnis.
    Sie versuchte, ihre Lage zu analysieren.
    Offensichtlich war sie in einer Höhle, und zwar in einer großen. Das hoffte sie zumindest. Ihr Atem beschleunigte sich. Sie schloss die Augen und zählte ganz langsam bis sieben. Jetzt durfte sie auf keinen Fall daran denken, dass sie in geschlossenen Räumen Angstzustände bekam. Nicht an das beklemmende Gefühl, das sie in

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