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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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an deiner Schule ist? Sind das nur zwei, drei Schüler? Oder sind das mehr?«
    Manuel blickte zu seinem Vater, der ihm bekräftigend zunickte. Du schaffst das, mein Sohn, schien dieser Blick zu sagen.
    »Ich glaube, dass es mehr sind als zwei oder drei Jungs«, antwortete Manuel. »Da sind ja Peer und Karim, und wenn René mitgemacht hat, waren es schon drei. Man merkt das, wenn man so über den Schulhof geht und sich ein bisschen umguckt. Die Jungs geben sich anders, wenn sie sich harmlose private Schnappschüsse oder Musikvideos zeigen, dann tun sie nicht so geheimnisvoll. Aber es gibt einige, die sich rasch umdrehen, wenn man kommt, oder so tun, als würden sie sich unterhalten, obwohl sie vorher alle auf ein Handy geguckt haben.«
    »Machen sie das nur bei dir oder auch bei anderen?«
    Manuel sah ihn kurz irritiert an, wahrscheinlich überlegte er, ob Winterberg ihn beleidigen wollte. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich hab das auch schon bei anderen beobachtet.«
    »Entschuldigen Sie bitte, wenn ich mich da einmische.« Siebert hob einen Zeigefinger wie ein Schüler.
    »Bitte«, forderte Winterberg ihn auf.
    »Ich hege schon länger den Verdacht, dass es auch am Gymnasium meines Sohnes solche ›Gewaltvideo-Gruppen‹ gibt. Ich habe auch schon die Schulleitung darauf angesprochen, bin da aber leider auf taube Ohren gestoßen. Vielleicht ist man zu stolz, sich Hilfe von anderen Schulen zu holen, oder man möchte sich erst gar nicht damit auseinandersetzen.«
    Ach, haben Sie das auch bemerkt, dachte Winterberg. Für einen kurzen Moment fühlte er sich mit Siebert verbunden – sie waren beide missverstandene Väter von heranwachsenden Söhnen.
    »Haben Sie schon irgendwelche Schritte eingeleitet?«, erkundigte sich Winterberg. »Die Angelegenheit bei der Polizei gemeldet oder bei einem Jugendschutzbeauftragten?«
    Doch Siebert lachte verächtlich. »Wir haben nichts weiter als Verdächtigungen. Wenn wir die Handys konfiszieren, dürfen wir sie nicht anschauen. Was sowieso egal ist, da die meisten ohnehin durch eine Pin-Nummer gesperrt sind. Und überhaupt, die Verdächtigungen: Mein Sohn hat Ihnen ja gerade erzählt, worauf sein Verdacht beruht – auf subjektiven Deutungen von Verhaltensweisen anderer Jungs.« Er seufzte. »Die Schüler sind schließlich nicht so blöd, sich direkt dabei erwischen zu lassen. Was habe ich als Lehrer denn da in der Hand? Ich kann ja schließlich niemandem das Handy wegnehmen und zur Polizei bringen, bloß weil er mit seinen Klassenkameraden in der Pause Bilder anschaut. Es könnten Schnappschüsse der letzten Party oder von der neuen Freundin sein. Alles Dinge, die mich als Lehrer nichts angehen. Und so haben wir uns entschieden, unsere Energie lieber in die Prävention zu stecken. Mit Erfolg.«
    Winterberg schwieg. Ihm war nicht bewusst gewesen, welche Ausmaße diese Geschichte hatte. Das war keine Randerscheinung, und René war noch nicht einmal in etwas besonders Rätselhaftes hineingeraten. Es ging um ein jahrtausendealtes Problem: die Ausübung von körperlicher sowie seelischer Gewalt und die Faszination daran. Und es ging um Männlichkeitsgehabe unter Jugendlichen. Nur, dass es aufgrund des Internets und der Technik eine andere Dimension bekommen hatte als in früheren Zeiten, wo es immer wieder zu Schlägereien unter der Dorfjugend kam.
    Doch im Prinzip handelte es sich um das gleiche Phänomen.
    »Also du weißt nicht mit Bestimmtheit, wer noch darin verwickelt ist?«, fragte er Manuel direkt.
    Der Junge schüttelte den Kopf.
    Winterberg atmete tief ein. Es wäre für die weitere Ermittlungsarbeit natürlich einfacher gewesen, wenn Manuel konkrete Verdächtige hätte nennen können. Dann aber wäre vielleicht auch ein ganz bestimmter Name aufgetaucht: Niklas Winterberg. Und den wollte er unter keinen Umständen in diesem Zusammenhang hören. Denn langsam wurde ihm klar, dass er einen Aspekt nicht länger ignorieren konnte: Es gab eine Verbindung zwischen Niklas und René. Und bei dieser Sache stand sein Sohn nicht besonders gut da. Überhaupt nicht gut ...
    Er verabschiedete Vater und Sohn und dankte ihnen für ihre Mitarbeit. Als die beiden fortgegangen waren, wurde ihm bewusst, dass seine anfängliche Abneigung gegenüber dem selbstbewussten Lehrer einem gewissen Respekt gewichen war. Es sollte mehr Lehrer geben, die den Schülern so viel Aufmerksamkeit schenkten und so viel Zivilcourage besaßen wie Johannes Siebert.
    Doch das Gespräch mit Vater und Sohn war nicht nur

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