Knochenfinder
Lösungskoordinaten.«
In Simons Kopf begannen die Gedanken zu kreisen. Etwas passte hier nicht zusammen. Die Erklärung des Mannes war völlig einleuchtend, und dennoch hatten sie den Bonuscache in der Nähe des Grillplatzes gefunden. Und es war definitiv der Bonuscache gewesen: das Logbuch, die Aufkleber auf der Dose – alles war echt.
»Da ist es.« Der Hundebesitzer ging auf einen schmalen, kaum sichtbaren Pfad neben einem weiteren Himbeergebüsch zu.
Er ließ die Leine des Hundes locker, und der Bodengo verschwand zwischen den Sträuchern. Während die beiden Männer ihm folgten, blitzte sein helles Fell immer wieder zwischen dem Grün auf. Dann ließ sich der Hund zwischen Fichtenschösslingen nieder und wartete auf sie.
»Sehen Sie den Baumstumpf dort?«, fragte der Mann, als sie den Bodengo erreicht hatten. »Da war eigentlich der Cache drin.« Er ging auf die Stelle zu, bückte sich und untersuchte den Stumpf mit den Händen. »Gucken Sie sich diese Sauerei mal an!«
An dem Wurzelrest hatte offensichtlich jemand gearbeitet: Helle Holzstückchen lagen ringsum verstreut, und mitten im Stumpf klaffte ein großes Loch von gut einem halben Meter Durchmesser. Simon starrte darauf und verstand überhaupt nichts mehr. Das hier war ein ganz typisches Geocachingversteck. Viele Cacher bastelten Baum- oder Steinattrappen, manipulierten Schilder und nutzten natürliche Begebenheiten, um ihre Dosen oder Logbücher in möglichst raffinierte und schwer zu findende Verstecke zu legen. Das war schließlich der besondere Reiz dieses Spiels: Geocaching lebte von der Pfiffigkeit derer, die ihre Caches tarnten, und dem Unvermögen vieler Sucher, das Verborgene zu entdecken.
Der Hundebesitzer hatte sich wieder aufgerichtet und schüttelte empört den Kopf. »Das ist eine echte Schweinerei! Der Owner hat sich große Mühe mit diesem Versteck gegeben, und dann kommt jemand daher und macht ihm alles kaputt.« Er wischte sich die feuchten, schmutzigen Hände an der Hose ab. »Jetzt verstehe ich aber auch, warum der Bonuscache woanders lag. Vielleicht wurde ja doch die Formel verändert.«
Er gab seinem Hund ein Zeichen. Während sie wieder zum Parkplatz zurückgingen, machte der Mann seiner Empörung Luft.
»Wissen Sie, woher das kommt?«, rief er aus. »Es sind mittlerweile zu viele geworden. Viel zu viele Leute machen heutzutage Geocaching. Es ist hip geworden, Dosen zu verstecken und mit einem GPS-Gerät durch die Wälder zu pilgern. Bedauerlicherweise leidet die Qualität der Geocaches enorm darunter. Sicher, es gibt jetzt auch viel mehr wirklich gute Caches als noch vor fünf Jahren, aber der Anteil an Schrott und lieblos in den Wald geworfener Dosen ist exorbitant gestiegen. Manchmal denke ich, dass das Geocaching an seiner Beliebtheit zugrunde geht.« Er seufzte. »Aber ich möchte Sie nicht länger von Ihrer Arbeit abhalten.« Flüchtig kratzte er sich am Bart, dann verabschiedete er sich. »Ich habe mich übrigens mit anderen zusammengetan; wir kontrollieren die wenigen Caches, die noch ausliegen«, fügte er noch hinzu. »Damit nicht noch mehr passiert. Wir müssen heute noch in die Altstadt und dort nachschauen. Auf Wiedersehen!«
Der Mann und sein Hund gingen zum Waldweg, auf dem sie hergekommen waren. Simon blickte den beiden irritiert hinterher, bis er sie nicht mehr sehen konnte.
Er war noch immer verwirrt. Warum hatten sie den Bonuscache so einfach finden können, obwohl er an einer anderen Stelle platziert worden war? Zumal die Formel nicht verändert worden war. Das wusste er genau, denn erst heute Morgen hatte er auf der Internetseite nachgesehen, ob es dort etwas Neues gab.
Wer hatte die Koordinaten errechnet – Hanke oder Kim Schröder? Und welche Formel hatten sie dazu benutzt?
Kapitel 51
Simon erreichte Tine gleich beim ersten Anruf. Natascha hatte ihm einiges über ihre Freundin erzählt – auch über deren Arbeitsplatz –, sodass er relativ schnell an die Telefonnummer gekommen war. Mit wenigen Worten unterrichtete er Tine über Nataschas Verschwinden und das aufgefundene Fahrrad. Tine war entsetzt. Sie versprach, sich sofort ein paar Stunden vom Salon freizunehmen und ihn bei der Suche zu unterstützen.
Simon war erleichtert, nachdem er sich mit ihr getroffen und sie ein wenig näher kennengelernt hatte. Zuvor hatte er erwartet, dass sie vielleicht hysterisch reagieren oder ihm Vorwürfe machen würde. Doch Tine verhielt sich recht normal – obschon sie ganz anders war, als er sich eine
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