Knochenfinder
Waldgebiet Dautenbach fahren wollte, wo der Bonuscache versteckt gewesen war. Und als sie mir den Grund dafür erklärt hat, habe ich sie nicht richtig verstanden, weil es in der Kneipe so laut war. Ich habe nur ›Déjà-vu‹ und ›Katzenkotze‹ verstanden. Und dass es ihr wichtig war, da noch einmal hinzufahren. Und weil ich nicht mitgekommen bin, ist sie allein gefahren. Da war etwas, das sie herausgefunden hat.« Er schaute sich um. »Aber ich habe nicht den geringsten Schimmer, wovon sie geredet hat. Ich habe gedacht, dass wir hier vielleicht einen Hinweis finden können oder eine Idee bekommen, woran sie gestern Abend gedacht hat.«
»Meinst du, dass uns Katzenkotze auf dem Boden hätte weiterhelfen können?« Tine sah ihn zweifelnd an.
Simon hob resigniert die Schultern. »Ich wüsste nicht, wie. Aber ich hatte gehofft, in ihrer Wohnung irgendetwas zu finden, das uns weiterhelfen könnte.« Er betrat nun den kleinen, hellen Raum und ging darin umher. »Hier in ihrer Wohnung ist ihr etwas Wichtiges eingefallen, woraufhin sie bei mir angerufen hat. Und ich Depp habe ihr abgesagt!« Er hieb gegen die Sofalehne.
»Komm, es ist egal. Ich sehe hier jedenfalls nichts. Lass uns lieber fahren und sie richtig suchen. Draußen, meine ich.« Tine ging in die Küche und sprach leise mit der alten Nachbarin. Dann kam sie wieder ins Wohnzimmer und sagte: »Sie schließt hier wieder ab. Und sie ruft mich auf jeden Fall an, falls sie irgendetwas von Natascha hört. Ich hab ihr meine Handynummer gegeben.«
Tine verließ Nataschas Wohnung; Simon folgte ihr ein paar Momente später. Seine Sorge wuchs. Was war Natascha eingefallen, weswegen sie dringend in dieses Waldstück fahren musste? Und war sie auf das gestoßen, wonach sie gesucht hatte?
Er griff unter seine Uniform, wo er eine Socke von Natascha versteckt hatte. Sie hatte im Flur neben den Schuhen gelegen. Wahrscheinlich würden sie den Strumpf noch brauchen. Simon hatte ihn heimlich mitgehen lassen, weil er Tine nicht erklären wollte, wofür die Socke benötigt würde. Er war froh, dass Nataschas Freundin das volle Ausmaß der Katastrophe noch nicht erfasst hatte. Jedenfalls glaubte er das an ihrem Verhalten abzulesen.
Und Simon hoffte, dass Tine mit ihrer Unbekümmertheit recht behalten würde und Natascha bald wieder unversehrt auftauchte.
Kapitel 52
Ein leises Geräusch weckte ihn. Es klang wie ein Schaben oder Kratzen. Er drehte seinen Kopf und versuchte herauszufinden, woher das Geräusch kam. Doch die Kopfschmerzen waren so stark, dass er sich nicht richtig konzentrieren konnte.
Da war es wieder! Aber jetzt klang das Geräusch eher wie ein Ächzen. Kam das etwa von ihm selbst? Vielleicht war das ein Echo. Konnte es Echos in Höhlen geben? Er wusste es nicht.
Er versuchte, seinen Atem ganz langsam und leise fließen zu lassen. Und dann vernahm er wieder das Geräusch, und es kam definitiv nicht von ihm. Da war jemand! Hinter der Bretterwand!
Panik breitete sich in ihm aus, es fühlte sich an, als würde sich sein Magen von innen nach außen kehren. Ihm wurde speiübel. Nein, nicht schon wieder! Er wollte keine neuen Schmerzen mehr, und er wollte auch überhaupt nichts mehr essen. Nie wieder!
Wenn er an das Fleisch dachte, sammelte sich Magensäure in seinem Mund – oder war das, was er da schmeckte, noch etwas viel Ekligeres? Er wollte lieber nicht wissen, was das für ein Fleisch gewesen war, das er hatte hinunterschlingen müssen.
Als er an das Essen dachte, spürte er wieder seine rechte Hand. Er würde sie auf gar keinen Fall bewegen; es war sicherer, wenn sie einfach nur dalag. Neben ihm, als wäre es gar nicht seine Hand. Zum Glück bekam er immer diese Spritzen, dann tat es nicht weh – oder zumindest nicht allzu sehr. Nur wenn er unvermittelt an seine Verstümmelung dachte, empfand er Schmerzen an der Hand. Aber er hatte schnell gelernt, solche Gedanken zu unterdrücken, sobald sie auftauchten. Denn so war es besser. Er wollte sowieso nichts mehr denken müssen. Nie mehr. Er wollte einfach nur in Ruhe gelassen werden: hier liegen, ein bisschen schlafen und dann im Schlaf sterben.
Ein leises Wimmern kroch aus seiner Kehle, und er begann zu schluchzen. Irgendwie konnte er es nicht mehr stoppen. Es kam einfach aus ihm heraus.
Und auch das Geräusch hinter der Bretterwand war noch da. Und plötzlich hörte er eine Stimme.
»Hallo?«
Sie klang weiblich und leise. Konnte es möglich sein, dass sie real war?
»Ist da jemand?«
René
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