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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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Wenn er von einem der Kollegen gesehen worden wäre, hätte man uns das sofort gemeldet. Es fanden auch verstärkte Kontrollen an den üblichen Versammlungsorten statt, wie etwa Bahnhöfe, Bushäuschen, große Plätze, bestimmte Ecken und Parkbänke ... Sie haben bislang noch gar nichts über den vermutlichen Abschiedsbrief Ihres Sohnes gesagt. Was hat es damit auf sich?«
    Staudt drückte sich aus dem Sessel nach oben, griff sich nervös an den Hemdkragen und zerrte an ihm, um ihn zu lockern. »Nina hat mir von dem Brief erzählt, als ich am frühen Nachmittag mit ihr telefoniert habe. Ich konnte sie am Wochenende nicht erreichen, erst heute nach der Schule. Und da hat sie mir von dem Abschiedsbrief berichtet.« Er sah verzweifelt zu seiner Frau hinab, die in ihrem Sessel zusammengesunken war. »Sie müssen wissen, Nina ist seine Exfreundin.«
    »Aber Sie wissen nicht, ob es wirklich ein Abschiedsbrief war«, hakte Natascha nach. »Könnte möglicherweise etwas anderes drin gestanden haben? Vielleicht ein Liebesgeständnis oder eine Einladung ins Kino?«
    »Ich weiß es nicht. Nina hat mir nur erzählt, er hätte den Brief persönlich bei ihr eingeworfen, es wäre keine Marke auf dem Umschlag gewesen, nur ihr Vorname.« Staudt kniff die Lippen zusammen.
    Seine Frau hielt sich die Hände vors Gesicht und lehnte sich im Sessel zurück. Dann ließ sie kraftlos ihre Arme nach unten sinken. »Ist das denn so wichtig? Wir sitzen hier und zerbrechen uns den Kopf darüber, was wohl in diesem Brief stand. Dabei sollten wir doch nach René suchen. Mir ist jedenfalls egal, was er seiner Exfreundin zu sagen hatte. Ich bin seine Mutter, und für mich zählt nur, dass er verschwunden ist. Ohne uns eine Nachricht zu hinterlassen, ohne einen Anruf. Nichts.«
    Sie ballte die Hände zu Fäusten, die Verzweiflung grub tiefe Furchen in ihr Gesicht. Plötzlich wirkte sie um zehn Jahre älter. »Ich will meinen Jungen zurück!«
    Ihre Stimme klang schrill. Der kurze Gefühlsausbruch wirkte völlig deplatziert in diesem perfekten Raum, fand Natascha.
    Michael Staudt, der kurz zusammengezuckt war, rief verärgert: »Karin!« Und schon im nächsten Moment waren er und seine Frau wieder äußerlich gefasst.
    »Glauben Sie, René könnte sich etwas angetan haben?«, fragte Natascha, die ihre Worte mit Bedacht gewählt hatte. »Gab es möglicherweise schon einen Suizidversuch in seiner Vergangenheit?« Sie achtete auf die Reaktion der Eltern: Beide schüttelten nur langsam die Köpfe und wirkten irgendwie ratlos.
    »Nein«, antwortete schließlich Staudt. »Davon ist uns nichts bekannt. Es würde auch überhaupt nicht zu ihm passen. Er ist eigentlich ein besonnener Mensch. Ungewöhnlich reif für sein Alter, finde ich.« Er knetete seine Finger. Natascha fiel auf, dass er keinen Ehering trug. »Das sagen auch die Lehrer. Wir hatten eigentlich auch nie größeren Ärger mit ihm. Ja, natürlich, manchmal bringt er eine schlechte Note mit nach Hause, aber das gibt sich immer wieder. René ist sehr verantwortungsbewusst, müssen Sie wissen.«
    »Aber wie passt das zur Tatsache, dass er schon einmal weggelaufen ist?«, entgegnete Winterberg. Als er darauf keine Antwort bekam, wechselte er das Thema. »Was hat er eigentlich eingepackt – haben Sie da schon nachgesehen? Möglicherweise ergeben sich daraus Hinweise, wo er hinwollte.«
    »Ja, natürlich. Seine Sporttasche ist weg, deshalb dachten wir ja auch zuerst, er wäre beim Fußball. Nach dem Telefonat mit Holger haben wir genauer nachgesehen und festgestellt, dass auch ein Rucksack fehlt. Und ein paar Sachen zum Anziehen, Unterwäsche und T-Shirts, Socken.« Staudt seufzte und kratzte sich erneut am Hals.
    Eine unangenehme Angewohnheit, fand Natascha.
    »Hat er noch weitere Verwandte, die er möglicherweise besucht haben könnte?«, fragte Winterberg. »Großeltern oder Cousins? Oder gibt es Brieffreunde oder ehemalige Klassenkameraden, die woanders hingezogen sind? Wenn René eine Tasche mit Wechselwäsche gepackt hat, dann hat er doch sicher nicht geplant, sich etwas anzutun. Oder sehen Sie das anders?«
    Staudt schüttelte resigniert den Kopf. »Ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung, wo er hingehen wollte. Ich habe keine Geschwister, und auch meine Eltern sind schon vor ein paar Jahren verstorben. Und was die Familie meiner Frau betrifft, so ist mein Schwager in Kassel der Einzige, zu dem wir Kontakt haben. Meine Schwiegermutter liegt nach einem Schlaganfall in einem Pflegeheim. Und

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