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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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wo.«
    Winterberg rieb sich erneut die schmerzenden Schläfen. Er musste dringend etwas dagegen unternehmen. Zum Glück gab es in der oberen Schublade seines Schreibtisches eine Schachtel mit Kopfschmerztabletten. Doch als er sie herausholte und öffnete, war sie leer. Um sicherzugehen, schüttelte er sie, doch es fiel nur der Beipackzettel heraus.
    »Ach, verdammt!«, fluchte er und wollte die Packung in den Mülleimer werfen; doch sie fiel daneben. Er wandte sich wieder seinem Sohn zu. »So kommen wir nicht weiter, Niklas. Ich weiß zum Beispiel, dass es hier in Siegen ein regelrechtes Netzwerk gibt, in dem sich Jungs gegenseitig mit Filmen und Bildern versorgen. Und wer da mitmacht, verbreitet das Zeug. Aber das musst du noch nicht einmal tun, um dich strafbar zu machen. Du darfst das Zeug nämlich überhaupt nicht besitzen. So sieht die Geschichte aus.«
    Er sah seinen Sohn erwartungsvoll an. Niklas fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und betrachtete danach seine Hände. Als ob das Schwarz abfärben würde.
    Keiner von beiden sagte ein Wort. Das Schweigen zwischen ihnen war unangenehm, doch Winterberg würde es aushalten. Jetzt kam es nur noch darauf an, ob das auch Niklas schaffte.
    Nach weniger als zwei Minuten setzte sich Niklas aufrecht und sah seinen Vater an. »Okay«, seufzte er vernehmlich. »Marco hat damit angefangen. Und der hat es von seinem Cousin. Wo der es herhat, weiß ich nicht. Na ja, und dann hab ich mir halt von Marco ein paar Bilder geben lassen und hab mir noch andere aus dem Netz gezogen.«
    »Hast du Marco auch welche gegeben?«
    Niklas schüttelte den Kopf.
    Aber Winterberg wusste nicht, ob er ihm glauben sollte. Er entschied sich für das Misstrauen. »Als ich an deinem Computer saß, habe ich keine Ordner mit Bildern gesehen. Es erschien sofort eine Plattform, die schon blutrünstig aussah. Online. Erklär mir das bitte.«
    Niklas sah zu Boden und war ein Stück im Stuhl zusammengesunken. Er wirkte lange nicht mehr so selbstsicher wie noch Sekunden zuvor.
    »Das ist geheim«, erklärte er leise.
    Winterberg lachte verächtlich. »Das kann ich mir denken. Ist ja schließlich auch nicht legal. Und wenn man für weitere Auskünfte riskiert, zwölf Monate im Knast zu sitzen, sollte man es schon aus purem Eigeninteresse geheim halten. Wer betreibt die Seite?«
    Niklas zog die Schultern nach oben. »Weiß nicht.«
    Winterberg verlor nun wirklich die Geduld. Niklas’ Ausweichmanöver zerrten an seinen Nerven, und in Kombination mit seinen Kopfschmerzen würde das kein gutes Ende nehmen. Außerdem konnte er doch nicht den ganzen Mittag hier einen kleinen Plausch mit seinem Sohn halten, während es da draußen um das Schicksal von René und Natascha ging!
    Also entschied er sich für einen verbalen Großangriff. »Das gibt es doch gar nicht! Wir vermuten, dass René wegen dieser beschissenen Bilder irgendwo gefangen gehalten wird und dass ihm da sonst was passiert. Und du kannst mir, verdammt noch mal, helfen, deinen Mitschüler zu finden! Jetzt zeig also mal, wie viel Arsch du in der Hose hast, und sag uns, was du weißt!«
    Niklas sah ihn erschrocken an. »Ich weiß wirklich nicht mehr! Ehrlich!«
    »Was noch?«
    Niklas blickte nach unten und zeichnete mit dem Zeigefinger Kreise auf seinem Oberschenkel, bevor er zu reden begann. »Manchmal haben wir versucht, einen Film zu drehen ... Also, Marco und ich. Dazu haben wir die Kamera von Marcos Vater ausgeliehen und sind in den Wald gegangen. Mit einem Stativ haben wir uns dann aufgenommen, während wir uns prügelten. Wir haben natürlich nur so getan, aber es sollte echt aussehen. Und da haben wir halt auch gestöhnt und gejammert und uns fallen lassen und so. Aber wir haben uns nicht wirklich geprügelt.«
    Winterberg dachte an das blutverschmierte T-Shirt in Renés Bett. Plötzlich ahnte er, wie die Flecken entstanden waren. »Haben noch mehr Jungs Filme nachgestellt? Sich vielleicht selbst verletzt?«
    Niklas blickte verlegen nach unten. »Bestimmt. Coole Bilder werden öfter angeguckt; man sieht ja an der angegebenen Zahl von Klicks, ob sich viele Leute ein Bild oder ein Video angucken.«
    »Okay. Wer ist noch involviert?«, fragte Winterberg, obwohl er die Antwort eigentlich gar nicht hören wollte. »Und was ist mit René?«
    Niklas’ Finger drehte erneut Kreise auf seinem Hosenbein. »Ich weiß nur, dass er auch dabei war. Aber wir haben uns nie unterhalten oder so. Nie richtig jedenfalls.« Sein Zeigefinger hatte aufgehört,

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