Knochenfinder
Haltung ein.
Doch Niklas stand einfach auf und erklärte: »Dann geh ich eben wieder. Das ist mir hier eh zu doof.« Er schob den Stuhl nach hinten und schickte sich an, den Raum zu verlassen.
Da sah Winterberg rot. Er war sich so sicher gewesen, dass Niklas auf den Deal eingehen würde. Und er war davon ausgegangen, dass er kurz vor der Lösung des Vermisstenfalls stand. Er hatte geglaubt, dass Niklas ihm den entscheidenden Hinweis geben könnte, wer seinem Mitschüler diese Gräuel antat. Und dass der Junge nach einigen Überlegungen möglicherweise herausfinden würde, wo man René gefangen hielt.
Aber Niklas schien kaltblütig die Zusammenarbeit zu verweigern und eigene Nachteile in Kauf zu nehmen, nur um nicht die Wahrheit sagen zu müssen. Winterberg war darüber entsetzt. Er eilte zur Tür, um Niklas am Gehen zu hindern. Doch der schob ihn einfach beiseite.
»Lass mich durch! Wenn ich meinen Rechner eh nicht bekomme, kann ich auch direkt wieder gehen.« Wie ein Rekrut, der seinen Feldwebel grüßt, legte er die Hand an die Stirn. »Und Tschüs!«
Winterberg sah, dass sich die vielleicht einfachste Möglichkeit, im Fall René weiterzukommen, gerade verflüchtigte. Er hielt Niklas am Ärmel seines T-Shirts fest, damit er nicht fortging.
»Niklas, bitte bleib. Lass uns reden. Du wirst deinen Computer schon wiederbekommen. Aber erst musst du mir weiterhelfen. Es geht um René aus deiner Schule; du kennst ihn doch! Und du kannst ihm helfen, damit ihm nicht noch mehr passiert. Du kannst sein Leben retten.«
Das schien etwas in Niklas auszulösen, denn er drehte sich wieder um. »Versteh ich dich richtig? Wenn ich auf deinen Erpressungsversuch eingehe, dann bekomme ich meinen Rechner wieder. Und du wirst ihn nicht einem deiner Kollegen geben. Ich habe also eine echte Chance, keinen Ärger zu bekommen?«
Winterberg nickte lahm. Er fragte sich, wer hier gerade wen erpresste. Eigentlich sollte er am längeren Hebel sitzen, nicht Niklas. Irgendetwas war bei diesem Gespräch völlig schiefgelaufen. Aber auf der anderen Seite konnte er sich nicht vorstellen, dass Niklas wirklich so kaltblütig war, wie er tat. Trotz aller Vorliebe für diese widerlichen Bilder war er sein Sohn – und der von Ute. Winterberg konnte sich einfach nicht vorstellen, dass ein Mensch, der von seiner Frau erzogen worden war, überhaupt kein Gewissen hatte.
»Okay.« Niklas ging zum Besucherstuhl zurück und setzte sich wieder. »Ich werde dir alles erzählen.« Er drückte seinen Hahnenkamm dichter an den Kopf. »Für René. Damit diese Schweinerei aufhört.«
Winterberg fiel ein Stein vom Herzen. In dem Moment rief Lorenz an.
Kapitel 61
Simon marschierte auf dem Schotterparkplatz neben der Grillhütte auf und ab. Mittlerweile hatten noch mehr Polizeiwagen auf dem Platz geparkt. Dienstwagen und Privatautos standen kreuz und quer, weil alle Kollegen in Eile gewesen waren und einfach da angehalten hatten, wo es ihnen passend erschien. Einzig der Bus der Kriminaltechniker war am Rand des Platzes abgestellt worden, um niemanden zu behindern.
Simon fragte sich, was die Techniker zu finden hofften. Natascha war offensichtlich in der Hütte gewesen, sonst hätte der Hund dort nicht angeschlagen. Das konnte er ihnen auch ohne Pülverchen verraten. Und er konnte ihnen auch sagen, dass sie jetzt nicht mehr da war. Das hatte er bereits vor ein paar Stunden festgestellt. Und dann hatten es Winterberg und Fischer auch bemerkt, nachdem sie zu dritt mit gezogenen Waffen die Tür aufgetreten hatten. Wie im Film, dachte Simon. Nur, dass man im Film durch eine solche Aktion das Entführungsopfer in der Regel retten konnte, während Natascha nach wie vor verschwunden blieb.
Er ging noch einmal zu der Stelle mit dem ausgehöhlten Baumstumpf, die mittlerweile ebenfalls abgesperrt war. Auch hier krabbelten die Kriminaltechniker in ihren weißen Anzügen umher und sammelten Spuren. An mehreren Stellen standen Zifferntafeln und markierten die Fundorte besonders augenfälliger Stücke, wie etwa die vielen Holzspäne rings um den Baumstumpf. Natascha musste ihren Entführer bei etwas erwischt oder gestört haben. Vielleicht beim Aushöhlen dieses Cacheverstecks.
Und wer käme dafür in Betracht? Letztlich jeder, der einmal diesen Bonuscache gefunden hatte und die Stelle kannte.
Aber warum hier? Simon drehte sich um. Sicher, die Stelle war etwas abseits vom Grillplatz und konnte nicht sofort eingesehen werden. Wenn der Cache gut getarnt war, hätte ihn
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