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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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blickte Staudt vorwurfsvoll an, der ihn jedoch nicht mehr beachtete, sondern auf eine Stelle hinter den Kommissaren starrte. Die beiden hörten ein heiseres Lachen hinter sich und drehten sich um.
    »Und, hat mein Mann Ihnen alles erzählt?«
    Im Türrahmen stand Karin Staudt. Ihr rotes Haar war zerzaust und bildete einen seltsamen Kontrast zum totenbleichen Gesicht; ihr schmaler Körper steckte in einem viel zu großen weißen Baumwollnachthemd. Aus den leichenblassen Beinen und Füßen schien jedes Leben gewichen zu sein: Sie sah aus wie ein Gespenst.
    »Karin, leg dich wieder hin!« Staudts Stimme hatte eine dunkle Nuance – seine Worte waren eine kaum verhohlene Drohung.
    Winterberg musterte die Frau wie ein exotisches Tier im Zoo, und Natascha hätte ihm dafür am liebsten einen warnenden Stups mit dem Fuß gegeben. Aber das Ehepaar beachtete die beiden Beamten überhaupt nicht, sondern starrte sich gegenseitig an.
    »Du bist ein Feigling!« Karin Staudts Stimme klang lallend, und ein übler Alkoholgeruch ging von ihr aus. Obwohl sie sich am Türrahmen festhielt, schwankte sie leicht. »Mir geht es schlecht, und du redest hinter meinem Rücken über mich. Du solltest dich was schämen!«
    Trotz seines beachtlichen Bauchumfangs sprang Staudt erstaunlich schnell aus dem Sessel und eilte zu seiner Frau. Er packte sie am Ellenbogen und zerrte sie in den Flur. Einen Moment lang versuchte die Gestalt im Nachthemd, sich aus dem Griff zu befreien, doch dann schlurfte sie resigniert hinter Staudt her. Sekunden später waren beide im Obergeschoss verschwunden.
    Winterberg schnalzte mit der Zunge. »Das also haben wir uns unter Frau Staudts Migräne vorzustellen.« Er stand vom Zweisitzer auf, ging zum Fenster und sah nach draußen in den kleinen Garten. »Tja, offensichtlich ist René aus dem familiären Chaos ausgebrochen. Und da er volljährig ist, hat er ja eigentlich auch das Recht dazu, das Elternhaus zu verlassen. Wie schätzt du die Situation jetzt ein – besteht die Möglichkeit, dass er irgendwie in Gefahr sein könnte?«
    Natascha hob unschlüssig die Schultern und dachte an ihre Eindrücke, die sie durch das Gespräch mit Nina, der vermeintlichen Exfreundin, gewonnen hatte. René war ein sehr einsamer junger Mann, bei dem man fürchten musste, dass er irgendwann etwas Dummes tun würde. »Er hat zwar eine Tasche gepackt, was darauf schließen lässt, dass er am Freitagmorgen nicht die Absicht hatte, sich etwas anzutun. Allerdings ist es seltsam, dass er außer Nina bislang niemandem eine Nachricht gegeben hat – nicht einmal seiner Tante und seinem Onkel in Kassel, zu denen er beim letzten Mal geflüchtet ist. Ich denke, er fühlt sich von allen Menschen unverstanden; und bei jungen Menschen in seinem Alter weiß man nie, zu welchen Kurzschlussreaktionen sie fähig sind.«
    »Da hast du recht«, brummte Winterberg und ging zur Tür.
    Plötzlich erinnerte sich Natascha daran, was sie gestern hier im Haus empfunden hatte – der schmutzig gelbe Film aus Emotionen, der sich über den Raum gelegt hatte. Also hatten ihre sensiblen Sinne sie wieder einmal nicht getrogen.
    Es gab tatsächlich ein Geheimnis in dieser Familie.

Kapitel 13
    Das Licht im Zimmer war schummrig; die heruntergelassenen Rollläden verhinderten, dass die Sonne hereinschien. Ein blaues Flimmern umhüllte die wenigen Möbel, sie schienen in ein eisiges Leuchten getaucht zu sein. Heute Nachmittag würde die Sonne ihn nur stören, denn am Computer brauchte er kein Tageslicht.
    Ungeduldig blickte er auf den Bildschirm, nachdem er den Rechner gestartet hatte. Die Vorfreude hielt ihn schon den ganzen Tag gefangen, doch er hatte sich lange gedulden müssen. Wenn er seine Pflichten vernachlässigte, würde er Ärger bekommen. Und Ärger war das Letzte, was er brauchen konnte.
    Endlich erschienen die bunten Icons, die ihn stumm aufzufordern schienen, sie anzuklicken. Jedes einzelne war ein Ruf in eine andere Welt. Er wählte sich ins Internet ein; beim Öffnen des Browsers erschien die Homepage eines E-Mail-Dienstes. Mit wenigen Mausklicks erreichte er die gesuchte Website und betrachtete lächelnd die Startseite. Username und Passwort schrieben sich fast von selbst, und nach wenigen Sekunden war er eingeloggt.
    Seit seinem letzten Besuch hatte sich einiges getan, wie eine kurze Durchsicht der neuesten Beiträge offenbarte. Ja, es lief sogar ziemlich gut, er konnte sich wirklich nicht beklagen. Wenn er ehrlich war, hatte er überhaupt nicht mit einer

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