Knochenfinder
gefangen hat, oder was? Das kann doch nicht dein Ernst sein!«
»Ich habe jedenfalls noch nichts an ihm bemerkt, was auf Konsum von Drogen schließen lässt. Und wenn er den Test macht, kann er seine Unschuld beweisen. Außerdem könnten wir das zum Anlass nehmen, um mit ihm ins Gespräch zu kommen – ihn zu fragen, was mit ihm los ist. Sofern es sich nicht bis dahin von selbst erledigt hat. Du weißt doch, wie wechselhaft Jugendliche sein können, wie schnell sich ihr Verhalten ändern kann.«
Winterberg dachte an seine eigene Jugend. War er selbst so gewesen? Wechselhaft? »Und wenn es keine Phase ist? Vielleicht ist er computersüchtig. Dann müssen wir ihm helfen – alleine schafft er das nicht.«
»Da hast du recht«, stimmte Ute ihm zu. »Sollte er süchtig sein, dann müssen wir ihm helfen. Vielleicht können wir ja gleich mal mit ihm reden.« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Er müsste eigentlich jeden Augenblick kommen. Ich habe ihn zum Einkaufen geschickt, das dauert ja nicht ewig.«
Wie auf Kommando hörten sie, wie die Haustür aufgeschlossen und anschließend zugeknallt wurde. Dann fiel etwas Schweres auf die Fliesen im Flur, und das Schuhregal klapperte. Ein paar Sekunden später kam Niklas in die Küche, hievte seinen Rucksack auf die Arbeitsplatte und begann ihn auszupacken.
»Moin. Diesen Zartweizen hab ich nicht gefunden, keine Ahnung, wo das liegen soll. Jedenfalls nicht beim Körnerfresserzeug.«
»Meist beim Reis oder den Nudeln. Ist okay, dann nehme ich eben Reis.« Ute ging auf ihn zu, um die Lebensmittel in die Schränke zu räumen. Nachdem Niklas den Rucksack ausgepackt hatte, schwang er ihn sich über die rechte Schulter und ging auf die Tür zu, um die Küche zu verlassen.
Doch Winterberg stellte sich ihm in den Weg. »Warte. Ich muss zuerst etwas mit dir besprechen.«
Niklas sah ihn genervt an. »Wenn ’s sein muss ...«
»Ja, es muss sein. Aber diesmal geht es nicht um dich. Setz dich.« Winterberg wies auf einen der Küchenstühle.
Niklas setzte sich auf die Stuhlkante und klopfte mit den Fingern der rechten Hand gelangweilt auf die Tischplatte. »Was gibt ’s?«
Winterberg sah ihn an und stellte sich vor, wie Niklas sich mit geschickten Fingern einen Joint drehte. So schlimm die Bilder auch waren – sie wirkten weniger irreal, als er geglaubt hatte. Aber dieses Problem würde er später angehen müssen.
»Kennst du René Staudt?«
Niklas schien einen kurzen Moment zu erstarren, dann gab er sich wieder betont locker. »Warum fragst du?«
»Das ist keine Antwort auf meine Frage. Kennst du ihn?«
Niklas hob kurz die Schultern. »Weiß nicht. Wer soll das denn sein?«
»Ein Junge aus deiner Schule, zwölfter Jahrgang. Er ist rothaarig, ungefähr so groß wie du. Kennst du ihn?«
Niklas blies kurz die Wangen auf. »Kann sein. Mir ist schon mal so ’n rothaariger Typ in der Schule aufgefallen, aber ich habe nichts mit ihm zu tun. Ich kenn den nur vom Sehen ... Wenn er das überhaupt ist.«
Etwas an Niklas’ Körperhaltung irritierte Winterberg, und er hakte nach. »Bist du dir sicher, dass du ihn nicht näher kennst? Wart ihr vielleicht mal gemeinsam auf einer Party?«
Aber Niklas schüttelte nur mit dem Kopf. »Nee, ich kenn den nicht näher. Warum fragst du mich das überhaupt?«
»René ist von zu Hause abgehauen. Es könnte ihm etwas Schlimmes passiert sein, zudem gibt es ein paar Dinge, die ich mir nicht erklären kann.« Winterberg fragte sich erneut, was René wohl während der Zeit getrieben hatte, als er angeblich beim Fußballtraining war. Und ob diese ominöse Samstagsbeschäftigung in irgendeiner Weise mit seinem Verschwinden zusammenhing.
»Und was hat das mit mir zu tun?«, erwiderte Niklas und sah auf seine Füße. Beide Socken hatten Löcher.
»Nichts. Ich wollte nur wissen, ob du mir mehr über ihn erzählen kannst. Oder ob du weißt, womit er sich in seiner Freizeit beschäftigt.«
Niklas stand ruckartig auf. »War’s das jetzt? Ich muss noch was für morgen machen.«
Bevor Winterberg darauf etwas sagen konnte, war Niklas aus der Küche verschwunden. Er hörte die Schritte seines Sohnes auf der Treppe und verspürte den Drang, hinterherzulaufen und weiter mit ihm zu reden. Stattdessen blieb er irritiert in der Küche sitzen. Wann nur hatte es angefangen, dass die Gespräche zwischen ihnen so unbefriedigend verliefen?
Er konnte sich nicht daran erinnern.
Das Abendessen gestaltete sich friedlich – fast schon zu normal. Fabian erzählte vom
Weitere Kostenlose Bücher