Knochenfinder
»Ja, auf Postkarten. Hat dieser Münker etwas mit Bergbau oder Bergmännern zu tun?«
Jockel schüttelte heftig den Kopf; dennoch blieben seine hellbraunen Haare akkurat liegen. Es sah aus, als benutzte er Haarspray, dabei war die Frisur nicht einmal besonders interessant: ein simpler Schnitt mit ausrasiertem Nacken und etwas längerem Deckhaar.
»Beruflich zumindest hat Robert Münker nichts mit Bergbau zu tun. Er ist beim Jobcenter und bearbeitet Hartz-IV-Anträge. Wir laden ihn erneut zur Aussage vor; das kann er auch bequem vor der Arbeit erledigen. Die haben da drüben Gleitzeit und Überstundenausgleich.«
Ein Seufzer entfuhr ihm, und in den Gesichtern der anderen konnte Natascha lesen, dass es auch ihnen so ging. Überstundenausgleich war eine Verheißung, die ihnen leider nur selten gewährt wurde.
»Außerdem wissen wir auch, wer vor den Knochenfindern bei den Cacheverstecken war«, fuhr Jockel fort. »Das Daumenversteck hatte zuvor ein Rentner aufgesucht – Herbert Schuster aus Geisweid –; am Zeigefingercache waren zuletzt Monja und Jochen Reitmann, die am Fischbacherberg wohnen. Meine Leute sind gerade dabei, euren Besuch anzukündigen. Ihr könnt also gleich losziehen, um die drei zu befragen.« Jockel sah in die Runde.
Winterberg nickte. »Das übernehmen Natascha und Lorenz. Ich werde mich in der Zwischenzeit um die Nachbarn der Staudts und um Renés Klassenkameraden kümmern. Ich bin mir sicher, dass es da einiges zu hören gibt.« Er fuhr sich mit der Hand über den Lockenkopf. »Was ist eigentlich mit den anderen Caches hier in der Gegend? Untersucht die jemand? Holen die Owner ihre Dosen tatsächlich wieder nach Hause? Wenn der Täter weniger Möglichkeiten hat, Körperteile zu verstecken, wird ihn das vielleicht davon abhalten, neue Sauereien zu begehen.«
»Du hast im Prinzip recht.« Jockel sah hilflos in die Runde und blieb mit seinem Blick an der Karte mit den markierten Fundorten hängen. »Aber allein bei uns im Kreis gibt es unendlich viele Geocachingverstecke. Von den angrenzenden Landkreisen ganz zu schweigen. Und wenn man den Radius unserer Suche nur ein wenig erweitert, sind wir doch sofort in anderen Bundesländern, in Rheinland-Pfalz und Hessen; und das macht in der Regel die Arbeit nicht gerade leichter. Allerdings ...« – er sah zu Lorenz – »... haben wir die Kollegen dort natürlich sofort informiert; und sie waren in unserem Fall sehr kooperativ. Sie haben bislang fleißig gesucht, aber nichts gefunden. Das Problem scheint sich auf unseren Landkreis zu beschränken.«
Lorenz tippte die neuen Infos in seinen Computer ein, während Jockel weiter fortfuhr.
»Wir haben natürlich alle Cachebesitzer hier in der Region angeschrieben, und zwar über das Geocachingportal. Viele von denen haben auch recht schnell ihre Dosen aus dem Spiel genommen und die Caches offiziell deaktiviert. Aber auf diesem Weg haben wir leider noch nicht alle erreicht, weil nicht jeder täglich online ist. Und es ist ein riesiger Aufwand, die Realnamen der Leute herauszufinden. Im Verlauf dieser Arbeit haben wir auch ein paar Geocacher angerufen und sie gebeten, uns zu unterstützen. Außerdem beobachten wir ein Forum der Szene. Dort sind die Funde natürlich Thema Nummer eins. Das hilft uns einerseits bei der Sensibilisierung der Leute, andererseits könnte es aber dazu führen, dass sich einige motiviert fühlen, als Trittbrettfahrer aktiv zu werden. Darüber hinaus wird natürlich so der Täter gewarnt – sofern er aus der Szene kommt. Aber davon gehen wir aus. Sonst ergäben seine Taten überhaupt keinen Sinn.« Jockel nahm einen Schluck aus seiner Tasse und verzog das Gesicht. »Boah, kalter Kaffee, das brauche ich an diesem Morgen nicht.« Er goss sich neuen Kaffee aus der Kanne nach und probierte einen weiteren Schluck. »Besser ... Wie geht ihr jetzt weiter vor? Schließlich ist nicht mehr auszuschließen, dass unsere Fingerfunde mit eurem Vermisstenfall zusammenhängen.«
Lorenz sah konzentriert auf den Bildschirm. »Okay, dann kommen wir zu René. Ich stelle euch den aktuellen Stand vor.« Er klickte ein paarmal mit der Maus und öffnete zusätzlich den Sammelordner mit der Hauptakte, der auf dem Tisch lag. Er blickte abwechselnd auf den Computer und in die Mappe.
»René Staudt, achtzehn Jahre alt, ist seit Freitagvormittag abgängig. Morgens vor der Schule gab es einen Streit in der Familie, und danach verließ René die elterliche Wohnung. Doch er ging nicht wie erwartet zur
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