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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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kurz an die Geschichte von Hüttental und nahm auch die riesigen Hallen des Stahlwerkes lediglich am Rande wahr. Immer wieder kehrten ihre Gedanken zu dem vermissten René und den Fingern in den Geocachingverstecken zurück. Erneut war sie froh darüber, die Geocachingtour mit Simon abgebrochen zu haben, bevor sie beide richtig mit der Suche begonnen hatten.
    »Meinst du, dass der Täter aus dem Umkreis der Geocachingszene kommt?«, fragte sie Lorenz, der ein weiteres Mal abbog und dann an einer roten Ampel stehen blieb.
    »Wahrscheinlich. Immerhin kennt sich der Täter – oder die, es können ja auch mehrere sein – mit dem Geocaching gut aus. Wir müssen herausfinden, ob René ebenfalls Geocacher ist. Doch bisher gibt es keine Hinweise darauf.«
    »Ich habe mich gefragt, ob René gezielt ausgesucht wurde oder ob er zufällig das Opfer eines Wahnsinnigen ist ...«
    Vor ihr inneres Auge schob sich das Foto von René. Sie dachte an das Gespräch mit Nina, an deren Gleichgültigkeit ihm gegenüber und an den Stalkingverdacht. Auch Winterbergs Schilderung des Gesprächs mit dem Trainer klang nicht so, als ob der Junge im Fußballverein klargekommen wäre. Offensichtlich war René einer jener Menschen, die niemand richtig mochte – die als komisch und kauzig verschrien waren. Und wenn sie an ihre Erlebnisse mit seinen Eltern dachte, verwunderte sie das nicht. Wie sollte ein junger Mensch normales soziales Verhalten erlernen, wenn ihm Vorbilder fehlten und wenn ihm niemand bei Schwierigkeiten zur Seite stand?
    Die Alkoholkrankheit der Mutter hatte die Prioritäten innerhalb der Familie verschoben und nahm offenbar seit Langem den größten Raum ein: Der Handhabung dieses Problems musste sich alles andere unterordnen – auch der Sohn mit seinen Bedürfnissen. Wenn er wie andere Jugendliche seines Alters gegen die Eltern rebellierte, stieß er wahrscheinlich immer wieder gegen eine Wand aus Missachtung und Vernachlässigung. Natascha konnte in gewisser Weise verstehen, dass er von zu Hause weggelaufen war. Es musste unerträglich sein mit der Mutter, die täglich zu entgleisen drohte, und dem Vater, der seine gesamte Energie für die Aufrechterhaltung einer normalen bürgerlichen Fassade verschwendete.
    Natascha nahm das Gespräch wieder auf. »René ist nicht gerade beliebt, und wer weiß, wen er mit seinem komischen Verhalten alles gegen sich aufgebracht hat.«
    Die Ampel schaltete auf Grün, und Lorenz gab wieder Gas. »Aber dafür schneidet man niemandem die Finger ab. Die Methoden, mit denen man jemandem einen Denkzettel zu verpassen pflegt, sind in der Regel ein paar Nummern kleiner.«
    Lorenz hat recht, dachte Natascha und erklärte: »Also doch das Geocaching. Wir sind übrigens gleich da. Herbert Schuster wohnt hier in einer Nebenstraße.« Sie wies auf die Straßennamen, die heimischen Vögeln zugeordnet waren – typisch für eine Neubausiedlung der Fünfzigerjahre. »Ich bin gespannt, was der uns zu erzählen hat.«
    Lorenz fuhr langsam an einer Reihe von Mehrfamilienhäusern entlang. »Ich hasse diese engen Sträßchen. Stichstraßen ohne Wendehammer, aus denen man kaum noch herauskommt. Ich frage mich wirklich, wer so etwas konstruiert hat.«
    Entschlossen stellte er den Jeep am Straßenrand ab. »Wir parken hier und gehen zu Fuß in den Zeisigweg.«
    Beim Aussteigen rollte ihm ein Ball entgegen, den er geschickt zu drei Jungs im Grundschulalter zurückkickte. Sie hoben ihn auf und rannten lachend in eine schmale, nach unten führende Seitenstraße, obwohl sich direkt gegenüber ein Bolzplatz befand. Aber der war schon von größeren Jungs belegt. Hier gab es offensichtlich eine ganz klare Hackordnung.
    Lorenz wies mit dem Daumen die ziemlich abschüssige Gasse hinunter. »Blöder Platz zum Ballspielen – so eine steile Straße.«
    »Jetzt weiß ich auch, warum eure Fußballmannschaft so schlecht dasteht«, spöttelte Natascha. »Ihr lernt von klein auf, nur am Hang zu spielen! Die ganze Taktik bricht dann plötzlich zusammen, wenn die einstudierten Laufwege auf einem gewöhnlichen, flachen Fußballfeld nicht mehr funktionieren!« Sie lachte laut auf.
    Lorenz warf ihr einen gespielt verächtlichen Blick zu. »Aber dafür sind wir wind- und wettererprobt. Ihr Kölner kennt verschneite Sportplätze doch nur von Auswärtsspielen!«
    Der Zeisigweg wurde auf beiden Seiten von zweigeschossigen Reihenhäusern geschmückt, die aussahen wie aneinandergepresste Würfel. Auf der linken Seite des Weges waren kleine

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