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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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Sie zu den Treffen?«
    Während Natascha diese Fragen stellte, verschränkte Münker die Arme vor der Brust und lehnte sich auf dem Besucherstuhl zurück. Deutlicher hätte er seine Abwehr nicht zeigen können.
    »Nein«, antwortete er. »Nicht mehr. Früher, als wir noch eine kleine, übersichtliche Gruppe waren, bin ich mit anderen gelegentlich zu einem besonderen Cache gefahren. Damals war noch nicht das ganze Land mit einfallslos versteckten Dosen übersät, und man musste teilweise weite Strecken fahren, um an einen Cache zu gelangen.« Er klang fast melancholisch; seine Stimme hatte einen weichen Glanz bekommen.
    Natascha fragte sich, warum so viele Menschen glaubten, früher sei alles besser gewesen. »Und jetzt hat sich die Szene wirklich so stark verändert?«
    Münker nickte zustimmend. »Es ist zu einer Massenveranstaltung verkommen. Viele halten sich nicht an die Regeln; es gibt Ärger mit Förstern und der Polizei, und die Gespräche drehen sich nur noch darum, wer die meisten Caches hat, wer die schwierigsten oder wer die besten.« Seine Stimme wurde lauter, und während er weitersprach, gestikulierte er aufgebracht. »Die Vermassung hat alles kaputt gemacht. Ich mache da nicht mehr mit! Deshalb habe ich mich von den anderen zurückgezogen. Ich mache lieber mein eigenes Ding. Das ist besser so.« Er schnaufte und nahm wieder seine abwehrende Körperhaltung ein.
    Natascha legte die Zeitung zurück auf den Stapel und öffnete den Ordner über den Vermisstenfall. Sie holte das Foto von René hervor, betrachtete noch einmal kurz das lächelnde Gesicht des Schülers und legte das Bild vor Münker auf den Schreibtisch. »Kennen Sie diesen Jungen?«
    Münker nahm das Foto und betrachtete es eingehend mit zusammengezogenen Brauen. Nach einer Weile legte er es zurück auf den Tisch und schüttelte langsam den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern, ihn jemals gesehen zu haben. Hat er etwas mit diesen Funden zu tun?«
    Natascha nahm das Bild wieder an sich. Sie legte es zurück in die Mappe und schloss den Deckel. Irgendwie fühlte sie sich beobachtet, wenn Renés Konterfei sie so anstarrte. Es wirkte vorwurfsvoll.
    »Möglicherweise«, antwortete sie ausweichend. »Sie sind sich also sicher, dass Sie ihm noch nie begegnet sind? Vielleicht früher einmal auf einem Cachertreffen – oder zufällig im Wald? Irgendwo anders?« Sie beobachtete Münker eingehend.
    Doch ihr Gegenüber schüttelte nur den Kopf. Er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein.
    Ihr Blick streifte die Uhr, die über der Tür hing. Es war bereits halb zehn. In einer Viertelstunde wurden sie und Lorenz von einem weiteren Geocacher erwartet: Herbert Schuster war der Letzte gewesen, der das Behältnis vor dem Daumenfund aufgesucht hatte, und er würde ihnen hoffentlich mehr erzählen können als Münker, der Dosenbesitzer.
    »Dann habe ich im Moment keine weiteren Fragen an Sie.« Natascha stand auf und ging um den Schreibtisch herum. Als Münker sich ebenfalls erhob, reichte sie ihm die Hand und geleitete ihn zur Tür.
    »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, melden Sie sich bitte. Und bleiben Sie für uns erreichbar.«
    »Mach ich, Frau Kommissarin.«
    Er wirkte deutlich erleichtert, wie Natascha auffiel. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und marschierte beschwingt auf die Fahrstühle zu.
    Fehlt nur noch, dass er ein fröhliches Liedchen pfeift, dachte Natascha.

Kapitel 24
    Natascha sah gedankenverloren zu, wie Lorenz den Blinker setzte und von der Hauptstraße abbog, die quer durch die ehemalige Stadt Hüttental führte. Bis in die Sechzigerjahre hinein war Hüttental Standort vieler Betriebe der stahlverarbeitenden Industrie gewesen. Die Hallen von Walzengießereien und anderen Betrieben standen nun in stummer Eintracht neben den riesigen Anlagen eines Stahlwerkes, das mit krachendem Getöse und bauschigen Dampfschwaden bis heute seine Funktionstüchtigkeit unter Beweis stellte. Doch mit dem Niedergang der Stahlverarbeitung im Siegerland verschwanden die meisten Walzengießereien, und selbst das Stahlwerk – obschon es weiterexistierte – musste viele seiner Mitarbeiter entlassen. Das Gesicht der kleinen Industriestadt wandelte sich dramatisch; und aufgrund des wirtschaftlichen Abstiegs kämpfte man hier schon lange mit Problemen wie hoher Arbeitslosigkeit und Jugendkriminalität. Das endgültige Aus kam dann in den Siebzigerjahren, als Hüttental in die Stadt Siegen eingemeindet wurde.
    Doch Natascha dachte während ihrer Fahrt nur

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