Knochenfinder
da?«
»Oh, Sie können sich nicht vorstellen, was es alles gibt. Und ja, mancher Täter würde die Finger in seine eigenen Dosen legen. Weil es so einfach ist. Oder weil einem gerade nichts Besseres einfällt.« Da sie sich Notizen machen wollte, nahm sie einen Kugelschreiber aus der Stiftebox und legte ihn neben die Schreibtischunterlage. »Sie arbeiten bei der Agentur für Arbeit. Was machen Sie da genau? Beraten Sie die Arbeitsuchenden?«
Münker nickte. »Ja, das auch. Aber wir machen natürlich viel mehr als das, was die Leute während der Öffnungszeiten zu sehen bekommen.«
»Und was?«
Natascha begann, auf ihrer Schreibtischunterlage zu kritzeln. Zwischen Arabesken und Blüten zeichnete sie einen dreidimensionalen Würfel. Irgendwann hatte sie einmal gelesen, dass solche Malereien etwas über die Persönlichkeit aussagten. Was verriet wohl dieser Würfel über sie?
»Wir müssen die Anträge natürlich bearbeiten, sie auf ihre Vollständigkeit überprüfen und die beigelegten Dokumente checken. Leider werden die wenigsten Anträge gleich beim ersten Mal vollständig ausgefüllt, also schreiben wir die Kunden an und teilen ihnen mit, was für Angaben sie noch machen müssen – oder dass diese und jene Unterlagen fehlen. Leider kommt auch recht häufig vor, dass die Angaben irgendwie nicht zusammenpassen oder offensichtlich fehlerhaft sind. Manche Antragsteller verstehen einfach nicht richtig, wie sie die Formulare ausfüllen sollen; andere machen bewusst falsche Angaben.« Er seufzte.
»Und was machen Sie, wenn jemand falsche oder fehlerhafte Angaben macht?«, erkundigte sich Natascha.
Münker lachte kurz auf. »Man bekommt schnell so ein Gefühl dafür, wer die Vordrucke nicht versteht oder wer etwas zu verbergen hat. Im ersteren Fall helfen wir dann beim Ausfüllen.«
»Und wenn jemand absichtlich Falschangaben macht?«
Münker wich einer klaren Antwort aus. »Na ja, da haben wir auch so unsere Methoden.«
Aber Natascha ließ nicht locker. »Und welche?«
»Man kennt halt so seine Pappenheimer. Wiederholungstäter werden direkt vorbestellt. Beim ersten Mal weisen wir noch höflich auf Ungereimtheiten hin, die uns auffallen. Na ja, und wenn das nicht hilft, werden eben die Gelder gekürzt, gestrichen oder erst gar nicht bewilligt. So einfach ist das.«
»Und wie gehen Ihre Kunden damit um, wenn ihnen Gelder gekürzt werden?«
Münker atmete hörbar aus. »Nicht unbedingt immer gut. Manche schreien uns an, andere drohen mit einem Anwalt. Aber da kommt natürlich nie was, die sind ja nicht im Recht. Tja, und manche rasten aus, schmeißen was auf den Boden oder springen gar über den Tisch, um einem an den Kragen zu gehen.«
Natascha hielt mit dem Zeichnen inne und sah Münker an. »Ist Ihnen so etwas schon einmal passiert?«
»Gott sei Dank nicht. Aber einer Kollegin von mir. Und nur weil sie sofort um Hilfe geschrien hat, sind Kollegen aus den Nachbarbüros gekommen und haben Schlimmeres verhindert. Aber mit Aggressionen werden wir generell häufig konfrontiert, was ja eigentlich nicht verwunderlich ist. Für viele Kunden hängt schließlich die eigene Existenz von der Bewilligung verschiedener Gelder ab. Das ist bestimmt hart, wenn dann ein Antrag abgewiesen wird. Aber uns sind natürlich auch die Hände gebunden, wir müssen uns an die Vorgaben und Richtlinien halten. Es gibt konkrete Gesetze, nach denen wir uns stets richten müssen. Das ist bei Ihnen hier ja sicherlich nicht anders.«
Natascha nickte zustimmend. »Also besteht tatsächlich die Möglichkeit, dass sich jemand an Ihnen rächen will«, folgerte sie. »Jemand, dem Sie bestimmte Zahlungen nicht bewilligt haben, der sich von Ihnen ungerecht behandelt fühlt oder dem Sie etwas vorenthalten haben, das ihm seiner Meinung nach zusteht.«
Münker starrte sie für einen kurzen Moment verblüfft an. »Sie meinen also, dass es mit meinem Beruf zu tun haben könnte?« Er rieb sich gedankenverloren am Kinn. »Ja, das wäre möglich. Man wird, wie gesagt, relativ häufig mit aggressivem Verhalten konfrontiert.«
»Oder könnte der Grund möglicherweise doch mit Ihrem Privatleben zu tun haben?«, hakte Natascha nach. »Vielleicht gibt es eine Verbindung zum Geocaching? Kennen Sie jemanden aus diesem Kreis, der Ihnen etwas missgönnen könnte?«
Münker überlegte kurz und hob dann die Schultern an. »Klar, da gibt es genug. Ich bin zum Beispiel schon seit neun Jahren dabei, gehöre zu den ersten Cachern überhaupt hier in der Gegend. Da
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