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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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gibt es ganz bestimmt Animositäten.«
    »Welche zum Beispiel?«
    »Neid?« Münker schlug das rechte Bein über das linke und legte beide Hände auf den oberen Knöchel. Er wirkte plötzlich nicht mehr wie ein verklemmter, leicht zu erschreckender Verwaltungsbeamter, sondern wie ein Mann, der sich souverän und entspannt seiner Lieblingstätigkeit widmete. Als hätte er quasi vom Dienst- in den Freizeitmodus gewechselt.
    »Unter einer ganzen Reihe von Cachern gibt es Wettkämpfe. Keine offiziellen natürlich. Aber es ist nicht alles so kameradschaftlich, wie es Außenstehenden auf den ersten Blick erscheint. Da gibt es etliche, die ziemlich genau darauf schauen, wie viele Caches jemand gefunden hat. Und wer beispielsweise in kurzer Zeit viele Funde macht, kann sich bei den anderen großen Respekt verschaffen. Umgekehrt werden Cacher, deren Anzahl von Funden im niedrigen dreistelligen Bereich liegt, oftmals verächtlich angesehen.«
    Natascha war erstaunt. »Ich habe gedacht, Geocaching sei ein harmloser Freizeitspaß. Mir war nicht bewusst, dass man da so unter Druck gesetzt wird.«
    Münker lachte. »Nein, so schlimm ist es ja auch nicht. Die Geocacher verstehen sich grundsätzlich gut untereinander, weil sie alle dem gleichen Hobby nachgehen. Trotzdem löst allein die Tatsache, dass die Funde automatisch gezählt werden, Konkurrenzgefühle aus, wenn ich das mal so sagen darf. Es gibt im Internet unzählige Programme, die alle nur denkbaren Statistiken aus den Daten der Funde erstellen können. So lässt sich der Wochentag mit den meisten Funden ermitteln; oder man kann für sich eine Landkarte erstellen, auf der die eigenen Funde pro Kontinent, Bundesland oder auch Landkreis angezeigt werden. Für Liebhaber von Statistiken gibt es eigentlich nichts, was es nicht gibt.«
    Natascha schrieb das Wort »Statistik« neben den gezeichneten Würfel. »Verstehe. Und weil Sie schon so lange dabei sind, stehen Sie in einigen Statistiken wahrscheinlich ganz weit oben. Deswegen besteht die Möglichkeit, dass einige sauer auf Sie sind oder Sie sogar hassen.«
    Münker blies beim Ausatmen die Wangen auf. »Ja, wenn man es so sehen will. Aber glauben Sie tatsächlich, dass mir meine langjährige Leidenschaft diese ... äh ... Unannehmlichkeiten beschert hat? Das wäre ja ungeheuerlich!« Er schüttelte entsetzt den Kopf. »Was für ein Mensch macht eigentlich so etwas?«
    »Eine Antwort darauf erhoffen wir uns auch, Herr Münker. Fällt Ihnen denn jemand ein, der zu so etwas fähig wäre? Jemand, der einen jungen Menschen brutal verstümmelt, ihn womöglich sogar tötet und dann seine Finger in Ihre Geocachingverstecke legt?« Natascha fixierte ihr Gegenüber. Als sie die grausame Tat erwähnt hatte, war Münker zusammengezuckt.
    »Nein. Ich weiß nicht ... Eigentlich kenne ich niemanden, der so etwas tun würde ...« Seine Stimme schwankte, und er schwieg einen kurzen Moment. Doch als er weitersprach, schien er sich wieder gefangen zu haben, obwohl immer noch ein leichtes Zittern in seiner Stimme lag. »Wenn der Täter wirklich unter den Geocachern zu suchen ist, dann möchte ich mich hiermit aufrichtig im Namen aller Cacher entschuldigen. Das hat nichts mit Geocaching zu tun. Das ist die abscheuliche Tat eines kranken Geistes – eines Außenseiters, der ganz sicher nichts mit uns zu tun hat.«
    Natascha hob den Stapel auf ihrer rechten Seite an und fischte eine Tageszeitung daraus hervor. Sie hielt sie Münker hin.
    »Ich nehme an, dass Sie die Medien verfolgen.«
    Münker verzog den Mund und tat die Schlagzeile mit einer Handbewegung ab. »Kadaverfund beim Geocaching«, las er verächtlich vor. »Können Sie sich vorstellen, in welchem Licht wir jetzt stehen? Da erlaubt sich jemand einen makabren Scherz mit den Geocachern, und wir werden alle als brutale Perverse dargestellt. Wegen der Tat eines Einzelnen!«
    Natascha überflog kurz den Artikel. Die Verfasserin hielt sich glücklicherweise mit Spekulationen zurück und berichtete wenig reißerisch über das Geocaching. Sie thematisierte auch das angeblich so große Gemeinschaftsgefühl unter den Cachern, das gut besuchte Forum und die Solidarität unter ihnen. Münkers negatives Urteil über die allgemeine Berichterstattung traf in keiner Weise auf diesen Artikel zu, und Natascha fragte sich, ob die Autorin wohl selbst Geocacherin war. Vielleicht kannten die beiden sich sogar.
    »Stehen Sie mit anderen Geocachern in einem engeren Kontakt? Besuchen Sie das Forum, oder gehen

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