Knochenfinder
und selbst Zucker vertrauten sie beide in fremden Wohnungen nicht. Lorenz hatte schon Zigarettenasche, tote Insekten und von Flüssigkeiten zusammengeklumpte Brocken in Zuckerdosen gefunden. Seither nahm er den Kaffee ohne Zusätze, wenn er ihm angeboten wurde. Und dass sie kein Wasser nahmen, stellte ebenfalls eine Vorsichtsmaßnahme dar, denn gekochter Kaffee war aus hygienischen Gesichtspunkten immer noch besser als abgestandenes Wasser.
Lorenz nahm wieder auf dem Sofa Platz. Schuster stellte die beiden Tassen auf den niedrigen Couchtisch und ging erneut in die Küche, um den Kaffee und eine Tasse für sich zu holen. Beides stellte er dann ebenfalls auf den Tisch und setzte sich Lorenz gegenüber in einen abgewetzten Sessel. Natascha ließ sich neben ihrem Kollegen nieder.
»Es geht um diese Dinge in den Caches, richtig?«, fragte Schuster. Seine kleinen, runden Augen huschten von einem Polizisten zum anderen.
Lorenz sah Schuster schweigend an und lächelte höflich, um ihn zum Weiterreden zu ermuntern. Es wirkte.
»Im Forum ist die Rede von einem Finger. Stimmt das? Oder geht da mal wieder mit jemandem die Fantasie durch?«
Natascha blickte kurz zu Lorenz. Als er kaum merklich nickte, antwortete sie: »Ja, es handelt sich um Finger. Einen Daumen und einen Zeigefinger.«
»Gütiger Gott!« Schuster sah sie entsetzt an. »Ich habe es nicht glauben wollen. Dann ist es also wirklich wahr.« Er senkte den Kopf und blickte auf seine Hände, die gefaltet in seinem Schoß lagen.
»Herr Schuster, Sie haben eine stattliche Messersammlung hier an der Wand hängen. Haben Sie noch mehr davon?« Natascha sah ihn auffordernd an.
»Selbstverständlich, ich bin Jäger! Möchten Sie meinen Waffenschein sehen?« Er schaute sie misstrauisch an. »Bei mir geht alles mit rechten Dingen zu. Doch seit diese verirrten Jugendlichen in ihren Schulen um sich schießen, kann man sich als Waffenbesitzer vor Anfeindungen ja kaum noch retten.«
»Und die Messer?«
»Ich bin, wie gesagt, Jäger. Zu meiner Grundausrüstung gehören ein Waidbesteck mit einem Waidblatt und ein Jagdnicker, falls das Tier nicht durch einen Schuss getötet werden kann; außerdem habe ich einen Skinner zum Häuten.« Er schenkte ihnen Kaffee ein. »Natürlich habe ich auch noch mehr, aber auf diese Messer bin ich ziemlich stolz. Es sind ganz besondere Exemplare, die mich ein halbes Vermögen gekostet haben. Aber dafür sind sie auch ausgesprochen gut.«
»Der Daumen in der Dose wurde mit einem Jagdmesser abgetrennt, Herr Schuster.« Lorenz sagte es wie beiläufig, doch es verfehlte seine Wirkung nicht.
Schuster starrte ihn an. Er brauchte einen Moment, um die Bedeutung des Gesagten zu verstehen. »Sie meinen damit doch nicht etwa, dass ich etwas mit dieser Sache zu tun habe? Niemals!« Er sprang auf und stieß dabei gegen seine Kaffeetasse, die laut polternd zu Boden fiel. Die braune Brühe floss über den Tisch und rann auf den beigefarbenen Teppich. Schuster wurde hektisch und zog ein altes Stofftaschentuch aus der Hose, um den Kaffee aufzuwischen.
Natascha ekelte sich vor dem Anblick des gebrauchten Taschentuchs, dennoch half sie dem Rentner und stellte die Tasse wieder auf.
»Ach herrje, ach herrje«, murmelte Schuster und tupfte auf dem Teppich umher.
Natascha nutzte seine Verwirrung, um in die Küche zu gehen und sich dort rasch umzusehen. Sie zog ein paar Schubladen der altmodischen Einbauküche auf, doch auf die Schnelle konnte sie keine weiteren Messer finden. Also nahm sie ein Spültuch vom Haken neben dem Ausguss und ging zurück ins Wohnzimmer. »Hier, tupfen Sie den Teppich doch damit ab.«
Schuster ergriff das Geschirrtuch und rieb damit über den Teppich. Dann setzte er sich wieder in den Sessel und sah die beiden Kommissare wütend an. »So eine Sauerei! Auch Ihre Verdächtigung, meine ich. Wie kommen Sie denn auf die Idee, ich könnte mit meinen Messern jemandem Finger abschneiden? Das ist absurd!«
»Für uns nicht, Herr Schuster«, entgegnete Lorenz. »Wir suchen einen schwerverletzten Jugendlichen, und da gehen wir allen Möglichkeiten nach. Und Sie müssen doch wohl selbst zugeben: Ein Geocacher mit Jagdmessern passt ziemlich gut ins Bild.«
Schuster schnappte nach Luft und sah dabei aus wie ein Fisch auf dem Trockenen. »Soll ich Ihnen meine Messer zeigen? Bitte! Sie können die auch alle mitnehmen und im Labor untersuchen lassen. Da werden Sie ganz bestimmt nichts finden! Jedenfalls kein Blut von Menschen. Spuren von Tierblut
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