Knochenfinder
schon. Aber dafür sind die Messer schließlich da. Oder ist das jetzt verboten?«
»Wir werden die Messer untersuchen lassen.« Natascha nahm einen Schluck Kaffee. Er schmeckte schrecklich, aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Sie waren der letzte Finder in Burbach, bevor der Daumen in der Dose entdeckt wurde. Ist Ihnen dort etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Etwas Ungewöhnliches?«, wiederholte Schuster. »Nein. Es war wie immer. Eine Frischhaltedose, versteckt an einer Baumwurzel. Kein besonders raffiniertes Versteck, sondern ein ganz gewöhnliches. Doch die ganze Reihe ist so. Normal, aber trotzdem ganz nett.« Er zuckte hilflos mit den Schultern.
Natascha sah ihn irritiert an. »Sie sagten ›die ganze Reihe‹. Was heißt das?«
»Na, die beiden Caches mit den ...« – er geriet ins Stocken, sprach dann aber weiter – »... die Caches mit den Fingern gehören doch zu einer Reihe.«
»Was für eine Reihe?« Lorenz wäre wohl verblüfft aufgesprungen, wenn das Sofa nicht so weich gewesen wäre und er nicht so tief in der Sitzmulde gesessen hätte.
»Gibt es etwa noch mehr Caches mit Fingern drin?«, rief Natascha aus. Sie und Lorenz sahen einander an. Sie merkte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Lorenz riss die Augen auf.
Schuster nickte. »Es sind insgesamt vier Caches. Die Reihe dreht sich um Werkzeuge, die man im historischen Hauberg benutzt hat.«
»Hauberg?«, wiederholte Natascha. »Was ist denn das?«
Lorenz seufzte. »Der Hauberg gehört zur Siegerländer Geschichte wie die Erzgruben und Hütten. Weil früher für die Verhüttung des Eisenerzes sehr viel Holz benötigt wurde, hat man ein besonderes System für die Nutzung von Niederwaldflächen entwickelt. Sie wurden mithilfe dieses Systems so bewirtschaftet, dass es sowohl genug Holzkohle für die Hütten als auch landwirtschaftlich nutzbare Flächen gab. Ein Hauberg ist nun ein auf diese Weise bewirtschafteter Niederwald. Auch heute haben noch viele Leute Haubergsanteile, aber mittlerweile wird das nur noch genutzt, um sich Brennholz zu beschaffen. Niemand baut zum Beispiel noch Getreide im Hauberg an.«
Natascha verzog das Gesicht. »Und was hat das mit Geocaching zu tun?«
Schuster grinste die beiden Kommissare an. »Alle Caches haben einen Namen. Und die Caches der Haubergsreihe heißen nach den Werkzeugen, die man damals verwendet hat. Knipp zum Beispiel. Oder Schöwwel .«
Lorenz starrte den Rentner mit offenem Mund an. »O Gott, wie konnten wir nur so blind sein?« Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »Wir haben nicht auf die Namen geachtet! Die Caches mit den Amputaten hießen Gräfer und Knipp .« Er sah Natascha an. »Knipp nennt man hier verschiedene Messer.« Doch sogleich wandte er sich wieder an Schuster. »Aber was ist ein Gräfer?«
»Eine Sichel für die Kornernte.«
Lorenz schüttelte den Kopf. »Was für ein Mist! Warum haben diese Caches so seltsame Namen? Wie soll da jemand draufkommen, dass es sich um eine Reihe handelt? Dafür muss man diese speziellen Begriffe aus der Region und den alten Dialekt kennen, den kaum noch einer spricht! Von einem Gräfer habe ich noch nie etwas gehört, und ich bin hier geboren.«
»Das kann ich mir gut vorstellen«, meinte Schuster. »Cacher beschäftigen sich eben gern mit Rätseln. Und die Leute von hier finden diese Idee ganz nett; das kann man in den Kommentaren zu den Caches lesen. Für Leute von außerhalb ist es natürlich schwieriger, all diese Zusammenhänge zu verstehen. Aber solche kleinen Rätsel machen auch den Reiz beim Geocaching aus.«
»Und was ist mit den anderen Caches dieser Reihe? Wo liegen die?«, fragte Natascha. Sie war sichtlich erstaunt über die Mentalität der Cacher: Offenbar liebten sie es, hochmoderne Technik mit alten Kenntnissen und Spracheigentümlichkeiten aus der Region zu verbinden.
»Die Verstecke haben alle einen Bezug zu Siegen. Einer liegt im Norden, einer im Westen. Und in denen, die im Süden und Osten waren, lagen die Finger drin.« Er verzog angewidert das Gesicht.
Lorenz stöhnte und schüttelte müde den Kopf. »Hauberg – was für eine blöde Idee. Und wir zermartern uns das Gehirn nach Zusammenhängen zwischen den beiden Verstecken.«
Natascha sprang auf. »Wir müssen Winterberg anrufen! Herr Schuster, wo genau sind die anderen beiden Caches? Geben Sie uns die Koordinaten!« Ihre Stimme überschlug sich fast. »Schnell!«
Schuster starrte sie nur an – unfähig, sich zu regen. Lorenz griff zum
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