Knochenfinder
legt er im Wald ab, weil er ... vielleicht von sich ablenken und die Geocacher in Verdacht bringen will. Wir sollten also verstärkt in der Schule suchen; da liegt der Ursprung der Gewaltorgien. Ich habe vorhin die Schulleitung angerufen, aber die weiß natürlich von nichts. So etwas darf es an ihrer Schule nicht geben, also existiert es auch nicht.« Sarkastisch fügte er hinzu: »Problemlösung auf Kindergartenniveau.«
»Findest du deine Vermutungen nicht ein bisschen übertrieben?«, widersprach ihm Natascha. »Ich meine – auch wenn sich die Jungs brutale Filme anschauen, heißt das doch noch lange nicht, dass sie selbst zu solchen Methoden greifen.« Sie wunderte sich über Winterberg. Er hatte doch selbst zwei jugendliche Söhne. Traute er denen etwa auch so was zu?
»Aber die Schlussfolgerung liegt auf der Hand, und wir müssen ihr auf jeden Fall nachgehen. Egal, wie die Schulleitung damit umgeht.«
»Vielleicht weiß die Schulleitung wirklich nichts von der Sache?«, entgegnete Natascha. »Schließlich sollte das doch was Geheimes sein.« Sie war irritiert. Normalerweise ging Winterberg nicht mit so vielen Vorurteilen an ein Thema heran.
»Ach, vergiss es. Ich hab einfach schlechte Erfahrungen mit der Schulleiterin gemacht. Ist eine persönliche Sache. Manuel hat die Namen dieser beiden Klassenkameraden genannt. Ich schicke Kollegen dahin; sie sollen die Jungs jetzt gleich befragen. Und die sollen denen, verdammt noch mal, ordentlich ins Gewissen reden, damit sie auspacken! Ich will die ganze Geschichte hören.« Er hieb mit der geöffneten Hand gegen das Lenkrad. »Ich kann einfach nicht glauben, dass Jugendliche so etwas mit ihren Kumpels anstellen. Das ist doch pervers!«
»Warum befragst du sie nicht selbst? Dann weißt du genau, was sie damit zu tun haben.«
Winterberg gab ein knurrendes Geräusch von sich. »Glaub bloß nicht, ich könnte nicht eins und eins zusammenzählen. Ich habe zwei Söhne, die auf dieselbe Schule gehen. Und ich will von ihnen persönlich hören, dass sie nichts damit zu tun haben. Deshalb fahre ich nach diesem Termin nach Hause. Und du solltest auch nach Hause fahren, um Kraft zu tanken. Morgen wird es sicher wieder anstrengend.«
Er bog nach links ab. Die Häuschen der Reihenhaussiedlung hoben sich vom Grün des Berges ab und wirkten trotz ihrer Gleichförmigkeit bunt und lebendig.
Natascha wünschte sich, dass ihr Kollege mit der Einschätzung seiner Söhne recht hatte. Sie wechselte das Thema und sagte: »Ich hoffe für Schuster, dass sich alles als ein großer Irrtum herausstellt. Sonst wird er sich einen verdammten Ärger einhandeln!«
Winterberg fuhr in den schmalen Zeisigweg hinein und parkte das Auto mitten auf der Gasse. Auf keiner Seite passte ein Kinderwagen hindurch, aber das war ihm offensichtlich egal.
»Ich lasse mir Waffenschein, Waffenbesitzkarte und Waffen zeigen. Das habt ihr ja bei eurem ersten Besuch versäumt«, warf er der Kollegin vor, während er mit ihr das Auto verließ. »Und wehe, da ist irgendetwas nicht in Ordnung!«
Schwungvoll öffnete er das Gartentörchen und marschierte zum Haus, ohne auf Natascha zu achten. Der Sechsender hängt wie eine Drohung über der Tür, fuhr es Natascha durch den Kopf, während Winterberg die Klingel drückte.
Schuster ließ lange auf sich warten. Erst nach dem dritten Klingeln öffnete er ihnen und blickte sie verschlafen an. Die Haare waren an der rechten Seite platt gelegen, die Falten eines Kissens hatten rote Abdrücke auf seiner Wange hinterlassen. Er sah sie ein wenig verwirrt an, während er sie ins Haus führte. Aber Winterberg ließ ihm keine Zeit und sprach ihn sofort auf seine Aktionen gegen Cachebesitzer an.
Schuster wirkte verlegen und sah zu Boden. »Ach, wegen unserer Cacherwacht sind Sie gekommen? Ja, wissen Sie, wir müssen doch darauf achten, dass die Caches sauber bleiben. Stellen Sie sich vor, dass noch eine unschuldige Familie so einen schlimmen Fund macht. Es reicht schon, was bisher passiert ist. Noch einmal verkraftet unser Hobby das nicht, dann macht uns die Presse die Hölle heiß. Die sind ohnehin schon wie die Geier. Wussten Sie, dass sogar schon das Privatfernsehen hier war? Hier, im Siegerland. Die verirren sich sonst nie hierher.«
Sie gingen ins Wohnzimmer mit der Sammlung von Hirschfängern an der Wand und setzten sich. Die Luft war abgestanden und schal und sah vor Nataschas innerem Auge aus wie eine feine Staubschicht.
»Das mag ja sein«, erwiderte Winterberg, der
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