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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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herunterrann und sich am Boden sammelte. Langsam begann er sich zu entspannen. Lorenz würde in der Dienststelle die vielen losen Fäden miteinander verknüpfen, die Suchmannschaften durchkämmten die Wälder im Umland, Schmitz brütete über winzigen Blutspuren. Und er würde das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden können: einen geruhsamen Abend mit seinen Söhnen verbringen und mit ihren Aussagen möglicherweise die aktuellen Ermittlungen voranbringen. Vielleicht könnten ihm die beiden ja helfen, noch Mitglieder dieses speziellen »Videoclubs« in Erfahrung zu bringen und die Strukturen des Systems zu durchleuchten.
    Winterberg nahm einen Schluck von dem Wein, behielt ihn einen Moment in der Mundhöhle und spürte der angenehmen Säure nach.
    »Was ist los? Sinnierst du über den Sinn des Lebens?«
    Ute hatte sich zu ihm gesetzt, ohne dass er sie bemerkt hatte. Sie nahm ihr Glas und prostete ihm zu.
    Er fühlte sich irgendwie ertappt. »Ja, so etwas in der Art.« Winterberg ließ den Wein im Glas kreisen und nahm noch einen Schluck.
    »Niklas hat ein paar Schwierigkeiten in der Klasse«, begann Ute zu erzählen und nippte an ihrem Glas. »Er fühlt sich nicht anerkannt und glaubt, die Lehrer hätten etwas gegen ihn. Es ist vielleicht so eine Art Identitätsfindungskrise. Ihm ist ein bisschen die gerade Linie abhandengekommen.«
    »Wie meinst du das?«, wollte er wissen.
    »Er weiß nicht genau, in welche Richtung er beruflich gehen möchte. Ob er überhaupt Abi machen soll und was ihm das bringt. Solche Dinge treiben ihn um.«
    »Und was hat es mit dieser Drogengeschichte auf sich?«
    Ute seufzte. »Tja, das ist wirklich ein Ding. Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht mehr ganz sicher, ob er tatsächlich völlig clean ist. Vielleicht kifft er ab und zu. Jedenfalls ist da was, und er will nicht richtig damit rausrücken.«
    Winterberg starrte auf sein Glas und sah die Spiegelung der Tischdecke, die winzige Falten warf. Nun war also das eingetreten, wovor er sich schon vor Jahren gefürchtet hatte. Lange bevor seine Söhne überhaupt in die Pubertät gekommen waren, hatte er über eine solche Situation nachgedacht. Einer der beiden kifft – wie würde er damit umgehen? Ausrasten und sie bestrafen? Kontrollieren? Das Problem ignorieren? Er hatte sich vorgestellt, dass er mit ihnen darüber reden würde, quasi von Mann zu Mann. Und in seiner Vorstellung hatten beide gesagt, dass er ja recht habe – und sie hätten das ohnehin nur einmal ausprobiert. Und dass es doof und unangenehm gewesen wäre und sich die ganze Aufregung darum nicht gelohnt hätte.
    Er beschloss, dass er mit Niklas über das Thema reden würde, und zwar als Vater, nicht als Polizist. Aber nicht jetzt. Heute Abend musste er über René Staudt und das Treiben an der Schule sprechen; das hatte Vorrang. Um das mögliche Drogenproblem seines Sohnes würde er sich später kümmern, wenn sie René gefunden hätten. Dann wäre er sowieso in einer besseren Stimmung und eher in der Lage, ein konstruktives Gespräch zu führen.
    »Ich werde mit Niklas reden«, sagte er und sah Ute an.
    Doch sie blickte nur aus dem Fenster und nickte bedächtig.
    »Wir haben uns in letzter Zeit zu wenig mit unseren Jungs beschäftigt«, fuhr Winterberg fort. »Wahrscheinlich haben wir sie als junge Männer betrachtet und dabei aus den Augen verloren, dass sie in vieler Hinsicht noch lange nicht erwachsen sind – trotz tiefer Stimmen und Bartflaum.« Er brummte und hoffte, dass es genauso unbestimmt klang, wie er es meinte. In der Küche klingelte die Zeitschaltuhr.
    »Das Essen ist fertig! Sagst du den Jungs Bescheid?«, bat Ute und ging in die Küche.
    Winterberg erhob sich mühsam aus dem Stuhl. Der Wein machte ihn träge.
    »’n Abend.«
    Plötzlich stand Fabian vor ihm und grinste. »Na, Probleme beim Aufstehen? Das ist bestimmt das Alter.«
    Winterberg rang sich ebenfalls ein Grinsen ab. »In deinen Augen muss ich ja ein furchtbar alter Sack sein. Dann hast du sicher auch Verständnis dafür, dass ich das Essen nicht aus der Küche holen kann. Na?« Er sah ihn auffordernd an und nahm wieder Platz.
    Fabian ging folgsam in die Küche und kam kurz darauf mit einer dampfenden Auflaufschale zurück. Einen Moment später tauchte auch Niklas auf und brachte eine große Schüssel, die bis zum Rand mit Salatblättern gefüllt war. Heute hatte er seinen schwarz gefärbten Irokesenschnitt nach unten gekämmt. Wahrscheinlich trug das Gespräch mit seiner Mutter Früchte, und er

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