Knochenfinder
selbstgerecht und schreckt auch vor Gewalt nicht zurück«, fuhr Winterberg fort. »Ich glaube, dass wir von ihm oder seiner Cacherwacht noch hören werden.«
»Hat sich eigentlich Schmitz schon gemeldet?«, erkundigte sich Natascha. »Der hat doch Schusters Messer untersuchen wollen.«
Winterberg regulierte die Klimaanlage und bog in Richtung Innenstadt ab. »Ja, er hat angerufen. Fehlanzeige. Auf den Messern findet sich keine Spur menschlichen Blutes. Aber das muss ja nichts heißen.«
Nein, gewiss nicht, dachte Natascha. Wer wusste schon, ob er ihnen alle Messer gezeigt hatte.
»Soll ich dich nach Hause fahren oder an der Wache absetzen?«, fragte er.
»Lass uns erst zur Wache zurückkehren«, antwortete Natascha, mein Fahrrad steht noch da. Wenn ich es morgen früh nicht zu Hause habe, komme ich nicht gut zur Arbeit.«
»Aber du fährst dann auch wirklich nach Hause, okay? Lorenz ist noch mit den Akten beschäftigt; wenn sich was Neues ergibt, wird er sich melden. Und das kann schnell passieren. Die Hundertschaften suchen rund um die Fundstellen den Wald ab, und Hanke sitzt weiterhin am Rechner und sucht die Infos für uns. Ich werde mir meine Söhne vorknöpfen, und du bleibst abrufbereit. Mach dir einen netten Abend, leg dich auf die Couch oder ins Bett und ruh dich aus. Dann bist du morgen früh um halb sieben wieder fit und einsatzbereit zur Morgenbesprechung. Ich denke, dass wir morgen ein paar wichtige Schritte weiterkommen können; immerhin haben wir heute wirklich viel in Erfahrung gebracht. Wir schaffen das!«
Er tätschelte ihr den Arm und zwinkerte ihr zu. Natascha nickte zustimmend, doch mit wenig Enthusiasmus. Der Döner lag ihr noch immer schwer im Magen, und wenn sie ehrlich war, freute sie sich auf ihr Bett. Zuerst würde sie eine Dusche nehmen, dann eine eiskalte Milch trinken und zu guter Letzt ein wenig mit Fritz kuscheln. Und natürlich früh schlafen gehen.
Sie schloss die Lider, und zum ersten Mal seit dem Morgen erblickte sie vor ihrem inneren Auge weder das Bild von René noch eines von Schusters Tierpräparaten. Da war nur eine große anthrazitfarbene Fläche. So sah Erschöpfung aus.
Kapitel 36
Als Winterberg nach Hause kam, roch es bereits im Hausflur verführerisch nach Knoblauch und überbackenem Käse. Unwillkürlich lief ihm das Wasser im Mund zusammen und weckte seine Vorfreude aufs Abendessen. Es erschien ihm eine halbe Ewigkeit her, dass er eine richtige Mahlzeit zu sich genommen hatte. Der Döner, den er mit Natascha gegessen hatte, war nur etwas für den hohlen Zahn gewesen, und er hatte längst wieder Hunger.
»Hallo, Hannes!« Ute kam in den Flur und begrüßte ihn mit einem Kuss auf die Lippen.
Auch das hatte er eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr geschmeckt. Er schloss die Augen und umschlang ihre Taille. »Schön, dass wir mal wieder ein gemeinsames Abendessen haben werden. Alle vier.«
Ute drehte sich aus seiner Umarmung. »Niklas hat sich Moussaka gewünscht.«
»Ach ja?«, erwiderte Winterberg leicht irritiert. »Hat er sich das irgendwie verdient?«
Ute hob in gespieltem Tadel einen Zeigefinger. »Jetzt sei doch nicht so misstrauisch, Hannes. Wir haben heute Mittag geredet. Es war ein sehr langes und intensives Gespräch. Niklas hat mir erzählt, wie er sich manchmal fühlt, was er denkt und womit er sich beschäftigt.«
Das klang gut, und Winterberg hatte das Gefühl, als ob ihm ein schweres Gewicht von den Schultern genommen würde. »Wirst du es mir erzählen?«
»Später.« Ute ging zurück in die Küche, und Winterberg folgte ihr. Sie holte Besteck aus der Schublade und hielt es ihm hin. »Du kannst schon mal den Tisch decken, aber das Essen braucht noch ein wenig Zeit. Hast du Lust auf einen Wein?«
Oh ja, die hatte er. Er hoffte, die Stimmung zu Hause würde ein wohltuender Kontrast zu den Aufregungen sein, die ihm die Suche nach René Staudt heute beschert hatte. Und ein Glas würde ja wohl kaum schaden. Er holte zwei Weißweingläser aus dem Wohnzimmerschrank, nahm eine Flasche aus dem Weinkühler und entkorkte sie.
Ute hatte also bereits ein Gespräch mit Niklas geführt, das offensichtlich recht gut verlaufen war. Als hätten sie beide sich abgesprochen, fuhr es Winterberg durch den Kopf. So würde es leichter für ihn, wenn er die Jungs nach diesen Gewaltvideos befragte.
Er setzte sich im Wohnzimmer an den Tisch und begann, sich Wein einzugießen. Gedankenverloren beobachtete er, wie der Wein in transparenten Schlieren am Glas
Weitere Kostenlose Bücher