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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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und Stimmen. Einen Augenblick lang wünschte sie sich, ebenfalls dort zu sein. Aber dann kehrte sofort das drängende Gefühl zurück, etwas viel Wichtigeres erledigen zu müssen.
    »Kennst du nicht dieses Kribbeln, wenn man kurz vor einer Lösung steht und sie nicht greifen kann? So geht es mir gerade.« Ein Gedanke blitzte in ihr auf, und sie musste sehr breit grinsen. »Machst du dir etwa Sorgen um mich?«
    »Du bist Polizistin!« Die Hintergrundgeräusche waren zu laut, um aus seinem Tonfall etwas herauslesen zu können. Er schien sich aber über ihre Frage zu amüsieren. »Muss ich mir etwa Sorgen um dich machen, bloß weil du alleine in einem Naherholungsgebiet Rad fährst, in dem viele Leute spazieren gehen und das außerdem noch regelmäßig von Streifenwagen kontrolliert wird?«
    Natascha fühlte, dass sie etwas Falsches gesagt hatte. »Nein, natürlich nicht. War auch nur ein Witz.« Sie zwang sich zu einem Lachen, das ihr gekünstelt vorkam.
    Dennoch stimmte Simon mit ein. »Ich müsste mir viel mehr Sorgen machen, wenn du Schiss vor dieser Radtour hättest.«
    Ja, dachte sie. Müsste er.
    Sie verabschiedeten sich, und Natascha wünschte ihm noch ein paar gute Würfe.
    »Bis bald«, fügte er noch hinzu.
    Natascha wusste nicht, ob das nur eine Floskel war oder er wirklich den Wunsch verspürte, sie demnächst wiederzusehen.
    Sie ging in die Küche und füllte Fritz noch etwas Futter in seinen Napf. »Und schling nicht wieder so. Wehe, mein Teppich ist nachher wieder vollgekotzt!«
    Doch Fritz blieb regungslos auf seinem Kratzbaum liegen.
    Natascha zog sich rasch um und verließ ihre Wohnung. Sie freute sich auf die Radtour und hoffte darauf, dass der Fahrtwind ihr Gehirn ein wenig freipusten würde.

Kapitel 38
    Lorenz’ Büro sah aus wie der typische Tatort in einem Film, in dem es um Wirtschaftskriminalität ging. Als hätte jemand die bösen Einbrecher dabei ertappt, wie sie das Büro eines zwielichtigen Firmeninhabers durchwühlten und sämtliche Akten aus ihren Verstecken rissen.
    Lorenz’ Stuhl stand achtlos in der Ecke neben dem Regal mit den Schildkröten, auf seinem Tisch lagen aufgeschlagene Ringordner übereinander, dazwischen einzelne Blätter, Zeitungsausschnitte und gefaxte Unterlagen. Die Schreibtischlampe war angeschaltet und beleuchtete einen runden Ausschnitt des Chaos.
    Lorenz selbst saß auf dem Boden vor den beiden Schreibtischen, den Laptop auf den Knien, und um ihn herum herrschte ebenfalls ein riesiges Durcheinander. Er blickte kurz auf, als er Winterberg bemerkte. »Hi. Ich dachte, du wärst zu Hause und sprichst mit deinen Söhnen?«
    Lorenz sah grausam aus. Seine Haut wirkte grau und großporig; ein leichter Schweißfilm lag auf seinem Gesicht und verlieh ihm einen unreinen Glanz. Auf seinem Hemd hatten sich unter den Achseln dunkle Ränder gebildet, und die dunkelblonden Haare, die sonst ordentlich frisiert waren, klebten stellenweise an seinem Kopf. Das Büro stank nach verbrauchter Luft und menschlichen Ausdünstungen.
    »Mensch, Lorenz, mach doch mal ein Fenster auf! Der Sauerstoffgehalt der Luft in diesem Raum geht gegen null, da kann doch keiner mehr richtig denken!«
    Lorenz achtete nicht auf ihn, sondern murmelte nur: »Mach ruhig.« Er war viel zu sehr mit den Unterlagen beschäftigt, um seinen Kollegen richtig wahrzunehmen.
    Winterberg kannte das von ihm: Lorenz konnte sich auf faszinierende Art auf ein bestimmtes Thema fokussieren. Dann blendete er seine Umwelt aus und tauchte in den jeweiligen Fall und die ihm übertragenen Aufgaben ein, als gäbe es nichts anderes auf der Welt. An manchen Tagen beneidete Winterberg ihn um diese Fähigkeit, sich selbstvergessen der Arbeit zu widmen. Heute jedoch war er froh, auch nach links und rechts schauen zu können, denn sonst wäre ihm das aufbauende Gespräch mit Ute zu Hause entgangen.
    Lorenz hingegen hatte keine Familie.
    Winterberg öffnete das Fenster und sog den Sauerstoff ein. Dann drehte er sich um und betrachtete noch einmal das Durcheinander in dem Doppelbüro. Nataschas Seite wirkte aufgeräumt wie selten zuvor. Sonderbar, welch starken Einfluss eine Perspektivenverschiebung auf die Bewertung einer Sache haben konnte, dachte Winterberg.
    »Gibt es was Neues von den Schülern?«, fragte er.
    Doch Lorenz sah ihn nur verwirrt an. »Was?«
    »Die Schüler mit den Gewaltvideos. Gibt’s da was Neues?«
    Lorenz stellte den Laptop auf den Fußboden und stand ächzend auf. Eines seiner Knie knackte, und er drückte beide

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