Knochenfunde
zu viel wissen.«
Galen hob die Brauen. »Sie nehmen es an?«
»Das sagte ich doch gerade«, erwiderte er säuerlich. »Ich bin schließlich kein Hellseher, der Ihnen genau sagen kann, was passieren wird. Ich bin immer noch dabei zu recherchieren. Bisher bin ich mir noch nicht ganz sicher, was zum Teufel hier gespielt wird.«
»Aber offenbar wissen Sie mehr als wir«, sagte Eve. »Wer sind denn überhaupt ›die‹?«
»Der Cabal.«
»Hört sich an wie ein Hexenzirkel«, bemerkte Galen.
»Das ist kein Witz.« Nathan warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Dann wandte er sich wieder an Eve. »Können Sie sich nicht vorstellen, dass ich in Versuchung war, Sie einfach weiter an dem Schä-
del arbeiten zu lassen, bis ich rausgefunden hätte, wessen Gesicht Sie da rekonstruieren? Wenn Sie Ihre Arbeit nicht beenden, laufe ich Gefahr, meine Story zu verlieren.«
»Und warum haben Sie es nicht getan?«
Er verzog das Gesicht. »Berufsethos – der Fluch meiner Exis-
tenz.«
»Sehr inspirierend«, murmelte Galen.
»Es ist die Wahrheit.« Die Antwort des Mannes klang zornig und trotzig zugleich, aber Eve hatte das Gefühl, dass er ehrlich war.
»Woher wissen Sie überhaupt, dass ich an dem Schädel arbeite?«
»Ich wusste es nicht. Ich bin dem Schädel gefolgt und habe die Kirche ausgekundschaftet.« Er überlegte. »Und ich bin nicht der Einzige. In der Nähe der Kirche wäre ich beinahe über zwei Typen gestolpert.«
»Wachen. Drei oder vier, manchmal auch fünf«, sagte Galen.
»Und wesentlich talentierter als Sie.«
»Ich bin Journalist, kein Schläger.«
»Wo haben Sie die Spur des Schädels aufgenommen?«, wollte
Eve wissen.
»Nun, eigentlich habe ich gar keine Spur aufgenommen.
Etienne hat mir erzählt, dass er in die Kirche gebracht werden sollte.«
»Etienne?«
»Etienne Hebert.« Nathan holte tief Luft. »Hören Sie, wenn ich schon nicht rauchen darf, könnte ich wenigstens eine Tasse Kaffee bekommen? Ich brauche ein bisschen Koffein. «
»Sie sind hier nicht auf einem Empfang«, raunzte Galen. »Erst erzählen Sie uns alles, was Sie wissen.«
»Himmel Herrgott, wenn ich nicht vorhätte, Ihnen alles zu erzählen, was ich weiß, wäre ich wohl jetzt nicht hier. Wie Sie bereits bemerkt haben, habe ich keine Übung in solchen Dingen.«
»Stimmt. Aber es könnte eine Finte sein.«
Eve traf eine Entscheidung. »Wir gehen runter in die Küche und kochen Kaffee. Er macht wirklich den Eindruck, als könnte er welchen gebrauchen.«
Galen zuckte die Achseln. »Ihr Wunsch ist mir Befehl.« Er trat zur Seite, als Nathan aufstand und auf die Tür zu ging. »Ich hoffe, Sie werden es nicht bereuen, Eve.«
»Dass ich ihm eine Tasse Kaffee angeboten habe?« Sie folgte
ihm in den Flur. »Ich finde nicht, dass das besonders mitfühlend ist.
Ich habe eine Menge Fragen an ihn, und warum soll er es nicht bequem haben, während er sie beantwortet?« Sie warf Nathan einen kühlen Blick zu. »Und ich versichere Ihnen, dass Sie meine Fragen beantworten werden.«
Zehn Minuten später füllte sie Nathans Tasse mit dampfendem
Kaffee. »Also, wer ist Etienne Hebert?«
»Ich glaube, in diesem Fall ist das Präsens nicht angebracht.« Nathan trank einen Schluck Kaffee und seufzte zufrieden. »Ich glaube, Jules hat ihn umgebracht.« Er hob eine Hand, als Eve etwas sagen wollte. »Langsam. Ich fange einfach ganz von vorne an. Vor etwa einem Monat erhielt ich in meinem Büro einen Anruf von einem
Mann namens Etienne Hebert. Er behauptete, er wisse, was mit Harold Bently passiert ist, und dass dieser Bently nur ein winziger Teil der ganzen Geschichte war. Er schlug mir vor, mich mit ihm in der Nähe von New Orleans in einem kleinen Schuppen am Ufer des
Mississippi zu treffen.«
»Warum ausgerechnet Sie?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen? Vielleicht, weil ich damals die Story über Bentlys Verschwinden geschrieben habe.« Er trank noch einen Schluck Kaffee. »Jedenfalls habe ich mich mit ihm getroffen. Er war ein kräftiger Bursche, so etwa zwanzig, einund-zwanzig Jahre alt, und auf den ersten Blick wirkte er ein bisschen unterbelichtet.« Er schüttelte den Kopf. »Aber so dumm war er gar nicht. Nachdem wir uns eine Zeit lang unterhalten hatten, wurde mir klar, dass er schlauer war, als ich anfangs angenommen hatte. Er war einfach nervös und hatte ein schlechtes Gewissen, weil er mit mir redete. Er hatte einen großen Bruder namens Jules, und den wollte er auf keinen Fall in Schwierigkeiten bringen. Es war
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