Knochenfunde
dieser Verwir-rung konnte sie nicht leben, und vor allem konnte sie in diesem Zustand nicht arbeiten.
Arbeiten? Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als ihr klar wurde, dass sie sich weniger Sorgen darüber machen sollte, wie sie Victor fertig stellen, als vielmehr darüber, wie sie überleben sollte.
Acht
»Offenbar haben Sie Eve nicht so gut kennen gelernt, wie ich dachte«, sagte Joe, als sie hörten, wie sie ihre Zimmertür zuknallte. »Mit Herablassung können Sie sie nur auf die Palme bringen.«
»Was Eve angeht, scheinen Sie ja auch nicht gerade ein Experte zu sein. Sie haben es sich immerhin gänzlich mit ihr verdorben«, erwiderte Galen.
Joe zuckte zusammen. »Sie hat Ihnen von dem DNS-Bericht er-
zählt?«
»Das ärgert Sie wohl, was? – Nein, Logan hat mir alles erzählt, was Sie ihm gesagt haben. Sie sind ein hohes Risiko eingegangen.«
Er wechselte das Thema. »Also, wollen Sie nun wissen, was sich hier abspielt?«
Joe schwieg einen Augenblick lang. »Ja, ich will es wissen.«
»Na, das war doch gar nicht so schwer, oder?« Galen berichtete ihm alles, was seit Eves Ankunft in Baton Rouge vorgefallen war.
Als er geendet hatte, fluchte Joe vor sich hin. »Warum haben Sie mich nicht angerufen? Warum haben Sie mich nicht informiert?«
»Logan hat mich angeheuert, nicht Sie. Und Eve war nur bereit, mich in ihrer Nähe zu akzeptieren, wenn ich ihr versprach, Ihnen kein Wort zu sagen. Sie haben es sich also eigentlich selbst zuzuschreiben.«
»Es scheint Ihnen ja richtig Spaß zu machen, mir das unter die Nase zu reiben.«
»Antagonismus bringt stets die schlechtesten Seiten in mir zum Vorschein. Haben Sie das Phantombild ans FBI geschickt, um festzustellen, ob die den Mann in ihrer Verbrecherdatei haben?«
»Ja. Sie haben ihn nicht.«
»Ich würde mir die Zeichnung gern mal ansehen. Der Mann, der
Eve in jener Nacht ins Krankenhaus geschafft hat, passt auf die Beschreibung. Wir könnten das Aufnahmepersonal befragen. Haben Sie sie mitgebracht?«
»Ich habe mehrere Kopien im Hotel. Ich werde Ihnen eine ge-
ben.« Joe schaute zur Treppe hinüber. »Könnten Sie sie nicht überreden, nach Hause zu fahren? Auf mich hört sie ja sowieso nicht.«
»Ich werd’s versuchen. Sie wird stinkwütend auf Melton sein,
wenn sie annimmt, er könnte etwas mit all dem zu tun haben, was Sie ihr erzählt haben. Andererseits arbeitet sie wie besessen an ihrem Victor. Heute musste ich sie regelrecht von ihm wegzerren.«
»Verdammt. Wer auch immer hinter dieser Sache steckt, ist nicht zimperlich. Ein falscher Schritt und sie – « Er brach ab und holte tief Luft. »Ich halte es einfach nicht aus, nicht hier zu sein, um sie zu beschützen. Es macht mich vollkommen verrückt.«
»Das ist nicht zu übersehen«, sagte Galen. »Ich tue mein Bestes.
Geben Sie mir Ihre Handynummer, ich werde versuchen, Sie auf
dem Laufenden zu halten.«
»Das reicht mir nicht.«
»Mehr kann ich nicht für Sie tun. Wenn Sie sich hier auf dem
Gelände herumdrücken, wird Eve an die Decke gehen. Vertrauen Sie mir, ich habe mich bisher gut um sie gekümmert. Und ich habe vor, das weiterhin zu tun.«
»Ich traue Ihnen nicht, und ich will nicht, dass Sie – « Joe knallte eine Visitenkarte mit seiner Handynummer auf den Tisch und ging zur Tür. »Wenn Sie mich nicht über jede Einzelheit informieren, mache ich Sie fertig.«
»Ich hasse Drohungen. Sie strapazieren meine zarten Nerven.«
»Sie können mich mal.«
»Schön, womit könnte ich mich denn revanchieren? Womit
könnte ich Sie so richtig treffen?« Galen lächelte boshaft. »Soll ich Ihnen sagen, wie gut ich Eve kennen gelernt habe? Wir haben einander unsere ganz persönlichen Ängste und Träume anvertraut, wir haben einander von unserer Kindheit erzählt. Wir haben gemeinsam gegessen, Trauer und Todesfälle erlebt. Ich habe sie beschützt und sie in meinen Armen gehalten, um sie zu trösten.«
»Sie Mistkerl.«
»Dachte ich mir doch, dass das funktioniert.« Er ging an Joe vorbei in die Küche. »Und jetzt muss ich uns ein kleines Abendessen bereiten.«
Joe hätte ihn am liebsten erwürgt.
Galen schaute ihn über die Schulter hinweg an und schüttelte den Kopf. »Ich bin ihr Sicherheitsnetz, Quinn. Wenn Sie mich aus dem Weg räumen, stecken Sie bis zum Hals in der Scheiße.«
Vor sich hin fluchend riss Joe die Haustür auf.
»Ach, ich habe noch eine Kleinigkeit zu erwähnen vergessen«,
rief Galen ihm nach. »Vor ein paar Tagen war ich nackt in ihrem
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