Knochenfunde
solange ich keinen konkreten Grund habe, die Effek-tivität Ihrer Sicherheitsmaßnahmen anzuzweifeln.« Er öffnete die Wagentür. »Das Auto, das Ihnen zur Verfügung gestellt wird, ist kein Mietwagen. Ich habe ein paar Kontaktleute in New Orleans, die es mir ermöglicht haben, ein Fahrzeug auszuleihen.«
»Auszuleihen?«
Galen grinste. »Keine Sorge, es ist nicht gestohlen. Ich fahre als erstes nach Mobile und lasse diesen Wagen dort stehen. Er könnte Hebert auf eine falsche Spur leiten, falls es ihm gelingt, ihn aufzuspüren.« Er ließ den Motor an. »Nathan scheint wild entschlossen zu sein, Eve zu beschützen. Er könnte sich in begrenztem Maß als nützlich erweisen, aber ich würde ihm nicht allzu viel zutrauen. Gegen Hebert hätte er keine Chance.«
»Das kann ich selbst beurteilen, verdammt.«
Galen musterte ihn. »Es macht Sie nervös, dass ich abreise. Ich würde mich geschmeichelt fühlen, aber ich weiß, Sie befürchten bloß, dass es mit Eve schwierig werden könnte. Es wird Sie erleichtern zu erfahren, dass ich ihr das Versprechen abgenommen habe, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.« Er lächelte verschlagen. »Das passt Ihnen nicht, stimmt’s? Sie mögen es nicht, wenn jemand als Mittler zwischen Ihnen und Eve auftritt. Nun, vorerst brauchen Sie sich darüber keine Gedanken zu machen. Von jetzt an sind Sie auf sich selbst gestellt, Quinn.« Er hob die Hand zum Gruß und gab Gas.
Joe schaute dem Lexus nach, wie er die Auffahrt hinunterfuhr. Er war froh, dass Galen fort war und er die Situation allein in der Hand hatte. Außerdem konnte er nicht leugnen, dass es ihn erleichterte zu wissen, dass Galen zusätzlich auf Jane aufpassen würde. Ein
Schwergewicht wie er war fast eine Garantie dafür, dass nichts schief gehen konnte.
Jetzt musste er sich auf seine eigene Aufgabe konzentrieren. Er straffte die Schultern, drehte sich um und ging ins Haus.
»Sie haben Victor umgedreht«, sagte Nathan. »Warum?«
»Ich beginne jetzt mit der letzten Phase der Rekonstruktion, und ich möchte nicht, dass Sie mir dabei zusehen.«
»Warum nicht?«
»Sie kennen Bently. Ihr Gesichtsausdruck könnte mir etwas verraten. Wenn ich Ihnen ansehe, dass Sie ihn erkennen oder nicht erkennen, könnte es mich beeinflussen. Und das könnte das Ergebnis verfälschen.«
»Sie sind sehr vorsichtig.«
»Das muss ich sein. Victor hat es verdient. Sie haben es alle verdient.«
»Bently hat es verdient. Bei den anderen Schädeln, an denen Sie arbeiten, bin ich mir nicht so sicher. Manche davon haben es wahrscheinlich verdient, dass man sie vergräbt und vergisst.«
»Aber das kann ich vorher nicht wissen.«
»Was würden Sie tun, wenn dieser Schädel dem Mann gehören
würde, der Ihre Tochter ermordet hat?«
Eve zuckte kurz zusammen. »Ich würde ihn fertig stellen.« Sie schaute ihn an. »Und dann, wenn ich ganz sicher wäre, würde ihn zertrampeln und zertrümmern und anschließend verbrennen. Vielleicht würde ich sogar noch einen Voodoopriester anheuern, der ihn verflucht.« Sie holte tief Luft. »Ist es das, was Sie hören wollten?«
»Ja.« Nathan lächelte. »Ich wollte Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber jetzt fühle ich mich wesentlich besser. Sie kamen mir einfach ein bisschen allzu edel vor.«
»Edel? Unsinn. Ich hatte als Kind kein richtiges Zuhause, deswegen habe ich wohl so eine Art fixe Idee entwickelt. Ich finde, jeder Mensch sollte ein Zuhause haben, selbst im Tod. Vielleicht auch erst recht im Tod, wenn der Mensch im Leben sehr gelitten hat. Wenn ich jemanden nach Hause bringe, gibt das seinem Leben im Nachhi-nein einen Sinn, es zeigt der Welt, dass dieser Mensch kein Abfall war, dass er einen Wert hatte. Verstehen Sie, was ich meine?«
Er nickte langsam. »Es ist wichtig, dass man seinen Wert er-
kennt. Wir müssen uns alle darüber klar sein, was uns wichtig ist.«
»Was ist Ihnen wichtig?«
»Meine Kinder, meine Arbeit.«
»Wie alt sind Ihre Kinder?«
»Henry ist zwölf und Carolyn ist sieben. Wunderbare Kinder.« Er verzog das Gesicht. »Ich wünschte, ich könnte von mir behaupten, ein wunderbarer Vater zu sein. Ich habe meine Kinder seit über vier Monaten nicht gesehen.«
»Warum nicht?«
»Ich bin geschieden, und meine Frau hat das Sorgerecht. Es war die richtige Entscheidung. Ich bin freier Journalist und habe mich auf Umweltthemen spezialisiert, bin also ständig im ganzen Land unterwegs. Ich konnte ihnen kein stabiles Zuhause bieten. Meine Exfrau lässt mich die Kinder sehen, so oft ich
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