Knochenfunde
Fremden, Jean. Warum willst du dir nicht ein bisschen Geld verdienen?«
»Wir brauchen es«, sagte Marguerite leise. »Er hat Recht, warum sollten wir uns über Fremde den Kopf zerbrechen?«
»Misch dich nicht ein, Marguerite.« Jean schwieg einen Moment lang. Dann nickte er. »Tausend.«
»Man merkt gleich, dass Sie mit Dufour verwandt sind«, knurrte Joe. »Siebenhundert.«
»Gib ihm die tausend, Joe.« Eve konnte ihren Blick gar nicht von Marguerite und den beiden Kindern abwenden.
Joe rang sich ein Lächeln ab. »Also gut.« Er wandte sich an Jean.
»Wo ist die Stelle?«
»Erst das Geld.«
Joe nahm seine Brieftasche heraus und zählte das Geld ab. »Zufrieden?«
Jean steckte die Scheine in seine Hosentasche. »Ein paar Kilometer von hier entfernt gibt es zwei Inseln. Sie liegen in einer kleinen Bucht im Sumpf, und da sind die meisten Muscheln angeschwemmt worden, als wir hier Hochwasser hatten. Das könnte die Stelle sein, nach der Sie suchen.«
»Sind es kleine Schlamminseln wie diese hier?«, fragte Eve.
Jean nickte. »Ich bin hier geboren, und ich kenne keine andere Stelle, an der es so viele Muscheln gibt.«
»Liegen diese Inseln dicht beieinander?«
»Ja.« Er überlegte. »Aber nur die zweite wird Sie interessieren.
Auf der anderen gibt es nichts.«
Joe richtete sich auf. »Und was gibt es auf der zweiten?«
»Das Grab werden Sie nicht finden. Es ist nicht mehr da.«
»Aber es war da?«
»Nimm mehr Geld«, sagte Marguerite.
Jean sah sie entnervt an. »Das hatte ich gerade vor.«
Joe zählte weitere fünfhundert ab. »Hat es dort ein Grab gegeben?«
Jean nickte. »Zwei. Sie waren nicht gekennzeichnet, aber sie waren da. Ich hab selber gesehen, wie Etienne sie ausgehoben hat. Es war ein hartes Stück Arbeit. Er musste nämlich die Leichen an den Stützpfählen verankern, weil er nicht riskieren wollte, dass sie freigespült und gefunden wurden.«
»Etienne Hebert? Sie haben ihn gekannt?«
Jean nickte. »Er ist zusammen mit den anderen beiden gekom men. Aber er war nicht wie sie, er war ein Cajun wie wir.«
»Welche anderen? Wann war das?«
»Vor ungefähr zwei Jahren. Zwei Männer sind gekommen und haben ein paar von uns angeheuert, um ihnen auf der Insel ein Haus zu bauen. Wir durften niemandem erzählen, dass sie da waren.« Er zuckte die Achseln. »Sie haben uns gut bezahlt. Warum sollten wir uns dafür interessieren, was sie dort taten? Solange sie ihre Drogen nicht an unsere Kinder verkauften, konnten sie von uns aus so viele Pülverchen herstellen, wie sie wollten. Das ging uns nichts an.«
»Sie hielten die Männer für Drogenhändler?«
»Wir wussten es. Etienne hat es uns gesagt. Er ist manchmal mit einer Flasche Wein gekommen, dann hat er auf demselben Stuhl gesessen wie Sie jetzt und uns erzählt, was er alles von Houma auf die Insel geschafft hat.«
»Er war ein netter Mann«, sagte Marguerite. »Sie werden ihn doch nicht in Schwierigkeiten bringen? Ihn trifft keine Schuld.«
»Nein, Etienne wird ganz bestimmt keine Schwierigkeiten be kommen«, versprach Eve.
»Er meinte immer, diese Verrückten würden sich eines Tages noch selbst in die Luft sprengen mit all den Chemikalien, die er ihnen liefern musste«, sagte Marguerite. »Er war ganz bedrückt. Ich glaube, er mochte die beiden.«
»Und was ist mit ihnen passiert?«
»Genau das, was Etienne vorausgesagt hat. Eines Nachts gab es eine fürchterliche Explosion. Als wir hingefahren sind, um nachzusehen, war Etienne gerade dabei, die Gräber auszuheben. Er sagte, wir sollten machen, dass wir wegkommen, und vergessen, was wir gesehen hatten. Er meinte, die Polizei dürfte auf keinen Fall davon erfahren, sonst würden sie uns auch alle für Verbrecher halten.«
»Und Sie haben geschwiegen?«
»Klar, wir sind doch nicht blöd. Für die Polizei sind wir nur Abschaum. Etienne hatte Recht.«
»Und wie hießen die beiden Männer?«, wollte Joe wissen.
»Na, wie wohl?«, entgegnete Jean sarkastisch. »Smith und Jones natürlich. Glauben Sie vielleicht, die hätten uns ihre richtigen Namen genannt?«
»Wie lange waren sie auf der Insel, bis das Haus in die Luft geflogen ist?«, fragte Eve.
»Ungefähr vier Monate. Zwei Monate vorher sind sie zu uns gekommen, aber wir haben Zeit vergeudet, weil wir zuerst auf der ersten Insel zu bauen angefangen haben. Dann meinten sie auf einmal, es wäre besser, ein bisschen tiefer in den Sumpf zu gehen, und dann mussten wir auf der anderen Insel noch mal von vorne
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