Knochenfunde
Sie, und sie vertraut Leuten, die sie mag. Sie kann es überhaupt nicht ausstehen, wenn jemand hinter ihrem Rücken herumschnüffelt.«
»Ich habe ihr keinen Schaden zugefügt. Wenn man mir etwas
vorwerfen könnte, dann höchstens, dass ich übertrieben fürsorglich bin.« Sein Blick wanderte wieder zu Victor hinüber. »Es ist sehr wichtig für mich zu erfahren, wer er ist. Gott, ich hoffe wirklich, es ist nicht Bently. Ich hoffe, dass er noch lebt, vielleicht untergetaucht ist und auf seine Chance wartet, diesen Scheißkerlen den Kampf anzusagen.«
Joe musterte ihn. »Ich glaube Ihnen.« Er zuckte die Achseln.
»Vorerst werde ich den Mund halten. Sie haben ja keinen Schaden angerichtet. Aber Sie haben einen Fehler gemacht.«
»Jeder macht mal einen Fehler. Sie müssen einen ziemlich gro ßen gemacht haben, sonst wäre Eve nicht so wütend auf Sie.« Nathan eilte die Treppe hinauf. Oben drehte er sich noch einmal um und schaute Joe an. »Ich muss noch einen Fehler gemacht haben.
Woher wussten Sie, dass ich hier unten war?«
»Ich habe gerade meinen Rundgang durch den Garten gemacht und durchs Fenster gesehen, dass sich hier drinnen etwas bewegte.
Es hat mich neugierig gemacht, als ich sah, dass Sie es waren. Vor allem, als Sie anfingen, mit einer Taschenlampe herumzufuchteln.«
»Vor der Küche habe ich nachgesehen, aber ich hätte vorsichtiger sein sollen.«
»Wie Sie schon sagten, jeder macht mal einen Fehler.«
Und Quinn würde ihn für diesen Fehler nicht bezahlen lassen.
»Danke. Ich bin Ihnen was schuldig.« Nathan machte sich auf den Weg zurück in sein Zimmer. Es hätte schlimmer kommen können. Er hatte getan, was er für nötig gehalten hatte, und er hatte keinen wirklichen Schaden angerichtet. Er hatte gehofft, etwas in Erfahrung zu bringen, aber er würde wohl einfach warten müssen.
Aber Geduld war nicht gerade seine Stärke.
Der Keller war hell erleuchtet, das Heiz- und Lüftungssystem neu und modern. Das Beste an amerikanischer Technik, dachte Jules, als er den Gang hinunterschlich.
»He, was machen Sie da?«
Jules schaute sich um. Ein uniformierter Wachmann trat aus dem Aufzug.
»Hier weiß wohl die eine Hand nicht, was die andere tut, was?«
Jules wedelte mit seinem Klemmbrett. »Das hab ich grade dem Wachmann am Eingang erklärt.« Er warf einen Blick auf das Namensschild des Mannes. »Alles in Ordnung, Phillips. Ich soll hier die jährliche Wartungskontrolle durchführen.«
»Ich hab grade Kaffeepause gemacht«, erwiderte der Wachmann verlegen.
Das wusste Jules. Er hatte nur nicht damit gerechnet, dass Phillips so schnell zurück sein würde, aber man musste jederzeit darauf gefasst sein, sich auf neue Situationen einzustellen. »Ich bin gleich fertig. Ist Ihnen auf Ihren Rundgängen irgendwas aufgefallen? Irgendwelche Pfützen? Dampfaustritt?«
Phillips schüttelte den Kopf.
»Da Sie nun schon mal hier sind, würde es Ihnen was ausmachen, mich in den Heizraum zu begleiten und meine Taschenlampe zu
halten? Ich muss hinter die Heizkessel kriechen, und da sieht man fast nichts.«
Phillips runzelte die Stirn. »Wenn’s nicht zu lange dauert. Ich muss zurück zum Eingang und Charley ablösen.«
»Wie gesagt, ich bin fast fertig.« Jules nahm seine Werkzeugkiste und ging in Richtung Heizraum. »Dauert nur eine Minute.«
Phillips folgte ihm. »Wenn Sie so sicher sind.«
»Ganz sicher.« Jules lächelte ihn über die Schulter hinweg an.
»In diesen Dingen hab ich Routine.«
»Bist du bereit, Victor?«, murmelte Eve vor sich hin. »Wir sind gleich so weit.«
»Haben Sie was gesagt, Eve?«, fragte Nathan von seinem Sessel aus.
»Schsch. Ich will kein Wort von Ihnen hören, bis ich ganz fertig bin.«
Der Ton war weich und fühlte sich kühl an unter ihren Fingerspitzen. Eve arbeitete behutsam und sorgfältig.
Glätten.
Nicht nachdenken.
Auf den Instinkt verlassen.
Ihre Finger bewegten sich schnell und geübt.
Wer bist du, Victor? Sag’s mir. Hilf mir.
Glätten. Modellieren. Ausgleichen.
Sie hatte keine Idee, wie sie die Ohren formen sollte. Einfach die typische Form wählen.
Der Mund. Gott, der Mund war schwierig. Sie kannte lediglich die Breite…
Instinkt. Alles ausblenden, was sie nicht wusste und ihre Hände arbeiten lassen.
Glätten. Modellieren. Ausgleichen.
Es ging zu schnell.
Einen Augenblick hielt sie inne und betrachtete die Augen, den Winkel der Augenhöhlen, das Stirnbein…
Okay, weiter.
Glätten. Modellieren. Ausgleichen.
Die Lippenhöhe
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