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Knochenhaus (German Edition)

Knochenhaus (German Edition)

Titel: Knochenhaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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getötet wurden oder bereits tot waren», erwidert Max nüchtern. «Es handelt sich allerdings oft um Kinderleichen.»
    «Großer Gott.»
    Inzwischen haben sie den Graben erreicht, der von einer blauen Plane geschützt wird. Ruth zieht die Abdeckung beiseite und kniet sich an den Rand. Nelson hockt sich neben sie. Er schaut in ein ordentlich ausgehobenes, rechteckiges Loch – wie oft hat er sich schon gewünscht, seine Spurensicherungsleute wären auch so sorgfältig wie die Archäologen! – mit akkuraten, geraden Seitenwänden. Der Graben ist gut einen Meter tief, und Nelson sieht den Querschnitt durch die Bodenschichten, erkennt genau, wo der Mutterboden in den Schwemmboden und schließlich in die Kalkschicht übergeht. Unter dem Kalk entdeckt er eine Reihe aus grauen Steinen, und gleich daneben ist ein tieferes Loch ausgehoben, auf dessen Grund es weißlich schimmert.
    «Habt ihr sie noch gar nicht ausgegraben?», fragt Nelson.
    «Nein», sagt Ruth. «Das muss man erst noch alles dokumentieren und das Grab und das Skelett auf dem Plan einzeichnen, damit wir uns über den Kontext klarwerden können. Vor allem müssen wir überprüfen, wie die Leiche ausgerichtet ist. Wenn sie beispielsweise nach Osten schaut, kann das sehr bedeutsam sein.»
    «Die Patres haben uns früher immer erzählt, wir sollen mit den Füßen nach Osten schlafen.» Daran hat Nelson ewig nicht mehr gedacht. «Damit wir direkt in den Himmel laufen können, falls wir in der Nacht sterben.»
    «Ein interessantes Beispiel dafür, wie hartnäckig sich Aberglaube hält», entgegnet Ruth gleichgültig, und Nelson erinnert sich, dass sie für Religion absolut nichts übrighat. «Kirchen», fährt sie fort, «stehen fast immer auf einer Ost-West-, nie auf einer Nord-Süd-Achse.»
    «Werd ich mir merken.»
    «Und manchmal», wirft Max ein, «werden Männer mit den Füßen nach Westen und Frauen mit den Füßen nach Osten beigesetzt.»
    «Klingt irgendwie sexistisch.» Nelson richtet sich auf.
    «Was dir natürlich völlig fremd ist», stichelt Ruth.
    «Total. Neulich war ich noch auf einer Fortbildung zur Neudefinition der Geschlechterrollen bei der Polizei.»
    «Und, wie war’s?»
    «Beschissen. Ich bin nach dem Mittagessen gegangen.»
    Ruth lacht, und Max, der schon ein missbilligendes Gesicht aufsetzen wollte, lächelt ebenfalls und mustert Ruth und Nelson dabei aufmerksam. Offenbar geht mehr zwischen den beiden vor, als er gedacht hätte.
    «Wir wollten gerade auf einen Drink ins Phoenix», sagt Ruth jetzt. «Magst du nicht mitkommen?»
    «Ich kann leider nicht», sagt Nelson bedauernd. «Ich muss noch zu so einer Festivität.»
    «Eine Festivität?»
    «Ein Wohltätigkeitsball zur Unterstützung des Festivals. Oben auf der Burg, Abendgarderobe und das ganze Programm. Michelle will da unbedingt hin.»
    «Habt ihr ein Leben», meint Ruth.
    Nelson grunzt nur zur Antwort. Er kann sich kaum etwas Schlimmeres vorstellen, als wie ein Pinguin im Smoking zwischen lauter Künstlertypen herumzustolzieren. Doch nicht nur seine Frau will hin, auch sein Chef, Gerry Whitcliffe, hat darauf bestanden, dass Nelson sich dort blickenlässt. «Das ist genau die PR, die unsere Dienststelle jetzt braucht», hat er erklärt und sich den Hinweis verkniffen, dass Nelson mit seiner Handhabung der Salzmoor-Sache überhaupt erst den Grund geliefert hat, warum die örtliche Polizeidienststelle jetzt ihr Image in der Öffentlichkeit aufpolieren muss. PR! Sonst noch was?
    «Wie schade», sagt Max leichthin und hebt dabei den Arm, als wollte er Ruth um die Schultern fassen. «Dann vielleicht ein andermal.»
    Nelson sieht ihnen nach. Die Terrasse des Phoenix füllt sich bereits mit frühabendlichen Gästen. Er hört Gelächter, das Klirren von Gläsern und kann sich nicht gegen den Wunsch wehren, dass Leahs Onkel bald der Cider ausgeht.

[zur Inhaltsübersicht]
    2
    Ruth zuckelt über die A47 zurück nach King’s Lynn. Obwohl es bereits nach acht ist, herrscht noch dichter Verkehr. Wo fahren die bloß alle hin?, denkt Ruth und trommelt ungeduldig aufs Lenkrad, während sie die Blechlawine aus Lastern, Autos, Wohnwagen und Minivans draußen betrachtet. Es ist doch noch gar keine Urlaubszeit, und für den Schulabhol- oder auch nur den Feierabendverkehr ist es schon viel zu spät. Warum sind diese Leute bloß alle auf dem Weg nach Narborough, Marham und West Winch? Wieso sind sie gerade in diesem ganz speziellen Höllenkreis gefangen? Seit etlichen Kilometern fährt Ruth jetzt

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