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Knochenkälte

Titel: Knochenkälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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winziger blauer Punkt.
    Genau wie der auf meinem Handrücken. Und der an Howies Hals.
    »Sie sind gestochen worden? Wann?«
    Er kratzt sich mit der Gabel tief im Bart, dann stopft er weiter das Hundefutter in sich hinein.
    »Vor fünfzig, einundfünfzig Jahren.«
    Sein blauer Punkt sieht genauso frisch aus wie meiner.
    »Aber wie? Ich meine, ich dachte, wenn man gestochen wird, wird man auch geschnappt. Wie Ihr Freund.«

    Mason balanciert einen Happen Leberpaté auf der Gabel, den Blick ins Nichts gerichtet. Dann schaufelt er ihn sich in den Mund.
    »Rod McLean«, brummt er. »Es war eine eiskalte Nacht und wir haben im Mondschein ein kleines Hockeyspielchen da draußen auf dem Eis gemacht. Ich war mit Abstand in Führung. Da prallte der Puck, den er losgeschossen hatte, von einer der Blechdosen ab, die wir als Torpfosten benutzten. Also fuhr er davon, um den Puck zu suchen, während ich die Blechdosen wieder aufstellte. Und plötzlich höre ich ihn rufen. Dachte erst, der will mich nur reinlegen. Ich fahre also dahin, wo ich seine Stimme gehört hab. Und da sehe ich es.«
    Er leckt, in der Erinnerung gefangen, die Gabel ab.
    »Der Dämon hatte ihn rücklings flach aufs Eis geschmissen und hielt ihn da fest. Das Ding sah aus, als hätte der Teufel persönlich es in seinem Zoo der verdammten Seelen zusammengebastelt. Rod war hinüber. Tot, soweit ich das sehen konnte. Als der Dämon zu mir herschaute, hob ich den Hockeyschläger, um mich zu verteidigen. Und da stürzte er sich auf mich.«
    Mason reckt mir den Arm mit dem Kreuz und dem blauen Punkt im Zentrum entgegen.
    »Hat mich durch die dicke Winterjacke erwischt. Ich bin sofort weggetreten. Und davon wieder wach geworden, dass Rod mich schüttelte. Der Dämon war weg. Wir wussten nicht, wieso wir noch am Leben waren. Rod ist ein paar Tage später krank geworden. Ich auch, nur nicht so schlimm.«
    »Was ist dann mit Ihrem Freund passiert?«
    »Erst war er krank, dann ging’s ihm eine Weile wieder besser.
Die Ärzte meinten, das sei Tetanus oder eine Blutvergiftung oder so. Aber sie konnten sich nicht erklären, warum das Blut in seinen Adern eiskalt war und er trotzdem nicht zitterte. Sie haben ihm Medikamente gegeben und dachten, es würde ihm besser gehen. Aber der Dämon war in seinen Kopf eingedrungen. In meinen auch. Du weißt, wovon ich rede. Die Flüsterstimmen, so nah, als würde einem jemand die Worte direkt ins Ohr hauchen. Aber wenn du dich umdrehst, ist keiner da.« Er starrt mich an. »Dann hörst du sie also noch nicht? Kommt noch. Bald.«
    Ich fröstele, als würde mir eine Spinne das Rückgrat hinunterkriechen.
    »Rod war an sich hart im Nehmen, aber er hat’s nicht gepackt. Mitte Januar ist er eines Nachts, mitten in einem Kälteeinbruch, einfach davongerannt. Er teilte sich ein Zimmer mit seinem kleinen Bruder, und der hat mir später erzählt, Rods letzte Worte wären gewesen: ›Ich komme, ich komme.‹ Als hätte ihn jemand zu sich gerufen.«
    Mason schleudert seine leeren Pappteller zu dem Haufen, der schon am Boden liegt.
    »Und?«, frage ich.
    »Nichts und. Ende der Geschichte.« Er steht auf. »Und jetzt raus hier.«
    Er wedelt mich weg, als wäre ich eine Stechmücke. Ich schleiche rückwärts Richtung Tür. »Was war mit Rod?«
    »Sie haben nie eine Spur von ihm gefunden.« Mason scheucht seine Hunde samt mir raus. »Na los«, sagt er zu ihnen. »Wir haben zu tun.«
    Ich trete in die frische Luft hinaus.

    »Ich verstehe das nicht«, sage ich, während Mason mir durch den Schnee folgt. »Sie sind am Leben geblieben. Wieso?« Seine Huskys fixieren ihn, als würden sie genauso auf die Antwort warten wie ich. »Wie haben Sie das geschafft?«
    »Ich bin weggerannt«, sagt er. »Rod war weg, und ich wusste, wohin er gegangen war und dass er nie zurückkommen würde. Als ich anfing, die Flüsterstimmen zu hören, wusste ich, dass ich nichts dagegen tun konnte. Ich war der Nächste. Also rannte ich weg, so weit ich nur konnte. Bis nach Toronto. Das war weit genug. Das Blut in meinen Adern war immer noch eiskalt, aber die Flüsterstimmen waren weg. Und die Träume auch.«
    Mason schaut zum vereisten See hin, wo von Böen getriebene Schneegespenster einander jagen.
    »Drei Jahre später bin ich wieder hergekommen. Da hatte ich mir schon das Kreuz draufmachen lassen, als Schutz. Ich dachte, vielleicht hab ich mir alles nur eingebildet. Aber Rod war immer noch weg. Und als der Winter kam, kamen auch die Träume wieder. Nur dass sie jetzt anders

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