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Knochenkälte

Titel: Knochenkälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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nach meinem Handy, das in meinem Rucksack steckt. Und dann schaue ich zum hundertsten Mal in mich hinein.
    Soll ich bleiben oder gehen? Kämpfen oder fliehen?
    Aber mein Gehirn entwindet sich immer wieder meinem Griff. Ich bin per Anhalter den ganzen Weg hierhergekommen, bereit zur Flucht. Aber jetzt, da ich hier bin, bin ich mir nicht mehr sicher.
    Ich... ich bin es satt, immer davonzurennen. Immer wieder alles und jeden hinter mir zu lassen. Immer wieder von null anzufangen, gerade wenn ich denke, ich hätte was gefunden, was es wert wäre, dass ich bleibe.
    Ash, zum Beispiel. Ich weiß genau, was sie dazu sagen würde
- Abhauen steht nicht zur Debatte. Aber sie weiß nicht, wie das ist, wenn man dieses Ding im Kopf hat. Wenn einem das Gift durch die Adern rinnt.
    Seit Tagen hab ich sie nicht mehr berührt. Sie hätte sonst nur zu frösteln angefangen.
    »Das ist bestimmt so, als würde man einen Schneemann küssen«, sagte ich, als sie mich einmal an sich zog.
    Sie lächelte, aber die Besorgnis trübte ihren Blick. »Eher so, als würde man ein Eis mit Danny-Geschmack schlecken.«
    Ash ist furchtlos. Unbesiegbar. Aus uns hätte was werden können.
    Ich blinzle in den wehenden Schnee hinaus, halte Ausschau nach dem Greyhound. Die Straße ist leer.
    Dad wird ziemlich sauer sein. Ich rufe ihn aus dem Bus an oder aus Toronto. Tante Karen hat doch gesagt, ich kann jederzeit zu ihr kommen.
    Aber Dad wird denken, ich hätte ihn verlassen, so wortlos und plötzlich, wie ich jetzt abhaue. Und dann auch noch drei Tage vor Weihnachten. Ist für uns sowieso immer die schlimmste Zeit des Jahres, weil uns alles an Mom erinnert und die Sehnsucht nach ihr uns innerlich zerfrisst. Solche Zeiten kann man nur zusammen durchstehen.
    Ich muss mir eine gute Erklärung für ihn ausdenken. Irgendwie dafür sorgen, dass er nicht versucht, mich wieder hierher zurückzuschleifen.
    Kämpfen oder fliehen?
    Bei Mason hat die Flucht funktioniert. Nur so konnte er überleben.
    Ich denke daran zurück, wie es sich angefühlt hat, damals
in der Nacht, auf der Lichtung zwischen den Felswänden, als wir sahen, wie die Bestie aus ihrem Tunnel rauskam. Dieser irre Drang, aus dem Versteck aufzustehen und mich preiszugeben. Als würde sie mich rufen, als könnte ich nicht anders, als ihrem Ruf zu folgen.
    Mason hat von Flüsterstimmen geredet. Das kommt noch, bald. Im Moment scheint das Monster sich auf Howie konzentriert zu haben. Aber wenn es mit ihm fertig ist, bin ich dran. Selbst jetzt, bei helllichtem Tag, spüre ich, wie etwas an mir zieht. Wie eine Strömung, die mich wieder ans Ufer zu zerren versucht. Noch kann ich dem Drang widerstehen, aber was, wenn die Nacht kommt und die Bestie erwacht?
    Der arme Howie. Noch nie im Leben eine Atempause gemacht. Vor seinem eigenen Schatten so viel Angst gehabt, dass er am liebsten eine einstweilige Verfügung dagegen erlassen hätte. Und jetzt liegt er im Krankenhaus. Es zerreißt mich, dass ich genau weiß, was gerade mit ihm passiert. In seinem Kopf. Er ist in der Welt dieses Monsters gefangen. Er träumt seine Träume. Kann nicht aufwachen. Kann nicht entkommen.
    Ich sehe ihn vor mir, wie er am Abgrund steht und sich nicht traut, von den Felsen zu springen. Zu schwach ist, um sich aus dem Albtraum herauszukatapultieren. Damals war ich bei ihm und hab ihn geschubst, ihm den Weg gezeigt. Jetzt ist er dort allein.
    Ich schaue den Highway entlang. Wo bleibt nur der Bus? Jetzt komm endlich.
    Aber ich bin es leid, davonzurennen. Von einer trostlosen Stadt zur anderen zu ziehen. Wenn Dad zu lange irgendwo
bleibt, holt ihn die Vergangenheit wieder ein. Frisst ihn auf.
    Aber so weit können wir gar nicht wegrennen, um der zu entfliehen. Es gibt kein Versteck, in dem sie uns nicht aufspüren würde. Selbst hier, am Ende der Welt, sind wir ihr ausgeliefert. Albträume holen einen immer ein.
    Nimm den Bus. Schau nicht zurück. Zurückschauen ist tödlich.
    Ich sehe durch das Schneetreiben, wie der Greyhound den Hügel heruntergefahren kommt. Sein plötzliches Erscheinen verblüfft mich. Ich nehme meinen Rucksack. Ich hatte fast schon bezweifelt, dass der Bus überhaupt noch kommen würde.
    Jetzt gilt’s. Bleiben oder gehen?
    Wenn ich jetzt gehe, ist Howie tot. Das steht fest.
    Für das, was wir haben, gibt es kein Heilmittel. Und wenn Howies Berechnungen stimmen, haben wir nur noch wenige Stunden. Aber was nützt es ihm, wenn ich mit ihm sterbe?
    Ich stehe oben am Highway und sehe zu, wie der Bus näher

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