Knochenkälte
waren. Ich konnte immer noch spüren, wie der Dämon um mich rumschleicht, mich beobachtet, mich beschnüffelt. Aber ich hatte mich verändert. Er wollte mich nicht mehr.«
»Wieso? Was hatte sich verändert?«
» Ich hatte mich verändert. Ich war älter geworden. Der Dämon nimmt sich nur die ganz Jungen.«
»Aber warum?« Ich hab das Gefühl, als wäre ich einer großen Entdeckung auf der Spur.
»Woher zum Teufel soll ich das wissen? Gottes Wege sind unergründlich - und die des Teufels auch. Ich weiß nur, dass
der Dämon mich jetzt in Ruhe lässt. Was er braucht, hab ich nicht mehr. Du schon.«
Wieder kriecht mir ein Spinnenschauer das Rückgrat hinunter.
Mason stapft mit seiner Hundemeute davon. »Renn weg, solange du noch kannst«, ruft er über die Schulter zurück. »So wie ich das gemacht hab. Renn weg, bevor es zu spät ist.«
achtundzwanzig
Howie geht nicht an sein Handy und zu Hause erreiche ich ihn auch nicht. Ich will wissen, was er von Masons Geschichte hält. Vielleicht fällt uns jetzt, wo wir neue Informationen haben, doch noch was ein.
Wieder zu Hause, tigere ich in meinem Zimmer auf und ab und versuche es immer wieder auf Howies Handy. Vielleicht gibt’s doch noch Hoffnung für uns. Mason hat eine Möglichkeit gefunden, seinem Schicksal zu entgehen. Also ist es machbar.
Ich werfe mich auf meinen Stuhl. Ash hat gestern Abend spät angerufen, um zu fragen, wie es mir geht. Und um gemeinsam zu brainstormen, einen Plan zu entwerfen. Aber ich war viel zu panisch, um klar denken zu können.
»Hast du denn nie Angst?«, fragte ich.
Sie ist immer so cool. Auch jetzt noch, nachdem wir in der Höhle des Monsters waren und sie es mit eigenen Augen gesehen hat.
»Doch, sicher. Aber man darf es sich nicht anmerken lassen. Das Leben ist ein einziger Kampf, Danny. Wenn du den Gegner sehen lässt, dass du Angst hast, hast du schon verloren. Du musst die Angst auffressen. Nie zeigen, wo deine Schwachstellen sind.«
Das ist Ashs Geschichte, Ashs Geheimnis. Die Erklärung dafür, warum keiner sie besiegen kann.
Als mein Telefon klingelt, zucke ich zusammen. Das Display meldet Unbekannter Anrufer.
»Hallo?«
»Danny, ich bin’s, Pike.«
»Hey Mann, ich versuche schon die ganze Zeit, Howie zu erreichen. Was ist...?«
»Ich rufe aus dem Krankenhaus an«, unterbricht mich Pike. »Es geht um Howie. Wir haben ihn nicht wach gekriegt. Die Ärzte sagen, das wäre so eine Art Koma oder so. Ein Rückfall, wegen der Unterkühlung damals. Aber im Grunde haben sie keine Ahnung, was los ist. Du müsstest ihn mal sehen - seine Lippen sind ganz blau.«
»Ich hab doch noch heute Vormittag mit ihm telefoniert«, sage ich. »Da hat er sich ganz okay angehört.«
»Ich hab ihn in seinem Zimmer auf dem Boden gefunden. Bewusstlos. Ich hab ihn einfach nicht wach gekriegt. Mann, ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll!«
So hab ich Pike noch nie erlebt. Hilflos. Die leise Hoffnung, die ich noch vor einer Minute hatte, ist sofort wieder erloschen.
»Lass ihn nicht aus den Augen«, sage ich. »Du weißt schon, für den Fall, dass er abhauen will.«
»Ja, ich weiß. Ich bleib die ganze Zeit bei ihm. Aber wir müssen uns was überlegen.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel, wie wir dieses Ding umbringen können.«
Das Ding treibt sich seit tausend Jahren hier rum! Wie soll man etwas töten, was nicht zu töten ist?
»Ich muss los«, sagt Pike. »Ich lass ihn keine Sekunde aus den Augen.« Er legt auf.
Ich stehe da und starre das Telefon an. Wir sind am Ende! Wir sind tot! Die Bestie steckt so tief in unseren Köpfen. Sie hat uns in Besitz genommen. Mason hat’s gesagt - ich rieche, als wäre ich reif. Wir sind beide reif, Howie und ich.
Unsere Zeit ist abgelaufen.
Mason ist vielleicht durchgeknallt, aber er ist auch der Einzige, der diesem Monster jemals entkommen ist. Renn weg, bevor es zu spät ist , hat er gesagt.
Eine Stimme in meinem Kopf sagt mir, dass es für Howie schon zu spät ist.
Mir ist schlecht vor Angst. Ich beschließe, das Einzige zu tun, was ich tun kann.
neunundzwanzig
Ein Baumstumpf auf einem mit Gerümpel übersäten Acker am Highway 11 ist mein Wartestuhl. Ich sehe den spärlichen Wagen zu, die dieses riesige Nichts in Richtung Toronto durchbrausen. Auf der anderen Straßenseite ist Der letzte Mini-Markt weit und breit . Der Greyhound-Bus hält hier zwei Mal am Tag.
Müsste bald kommen.
Ein Pickup schießt an mir vorbei. Ich schaue auf meine Uhr. Ich schaue sicherheitshalber auch
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