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Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenlese: 5. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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hölzernen Fächern, die Garderobe für eintreffende Gefangene. Das übliche Gefängnis-Design.
    Wir kamen an mehreren Türen mit der Aufschrift ENTREVUE DETENU vorbei. Von früheren Besuchen wusste ich, dass hinter jeder eine winzige Kammer mit Wandtelefon, an den Boden genietetem Stuhl, Wandtheke und einem Fenster in einen spiegelbildlichen Raum lag. Unterhaltungen mussten durch Glas und über Telefon geführt werden.
    Unterhaltungen mit Häftlingen, die keine Botschaftertöchter waren.
    Der Posten ging an den Verhörzimmern vorbei, blieb vor einer Tür mit der Aufschrift ENTREVUE AVOCAT stehen und winkte mich hindurch. Auf der Anwaltsseite war ich noch nie gewesen, und ich war neugierig, was mich erwarten würde. Ledersessel? Cognacschwenker? Fotos von Menschen, die in Schottland Golf spielten?
    Der Raum war zwar größer, aber genauso kahl wie diejenigen für die Familien und Freundinnen der Gefangenen. Neben einem Telefon bestand die Einrichtung nur aus einem Metalltisch und einigen Stühlen.
    Am Tisch saßen Mrs. Specter, ihre Tochter und ein Mann, der wohl Anwalt der Familie war. Er war groß, und sein Bauchumfang stand seiner Höhe in nichts nach. Ein grauer Haarkranz zierte seinen Hinterkopf und kräuselte sich am Kragen seines Zweitausend-Dollar-Anzugs. Gesicht und Schädel leuchteten in Hochglanz-Rosa.
    Mrs. Specter hatte zur sommerlichen Farbpalette gegriffen. Sie trug ein Leinenkostüm in Ecru, eine gedeckt weiße Strumpfhose und offene Pumps. Ein goldenes, mit zarten Staubperlen besetztes Band bändigte die kupferfarbenen Locken. Als sie mich sah, flackerte kurz ein angespanntes Lächeln auf, dann versteckte sich ihr Gesicht wieder hinter ihrer perfekten Estée-Lauder-Maske.
    »Dr. Brennan, darf ich Ihnen Ihor Lywyckij vorstellen«, sagte sie.
    Lywyckij erhob sich halb und streckte die Hand aus. Das einst wohl muskulöse Gesicht des Mannes war nach Jahren üppigen Essens und reichlichen Alkoholgenusses schlaff geworden. Ich lächelte ihn an, als wir uns die Hände gaben. Sein fleischiger Händedruck war kräftig.
    »Tempe Brennan.«
    »Angenehm.«
    »Mr. Lywyckij wird Chantale vertreten.«
    »Ach, bitte. Steckt mich nicht in den richtigen Knast.« Chantales Stimme triefte vor Sarkasmus.
    Ich wandte mich ihr zu. Die Tochter des Botschafters saß mit ausgestreckten, schräg gestellten Füßen da, den Blick gesenkt, die Hände in den Taschen einer Jeansweste vergraben.
    »Du musst Chantale sein.«
    »Nein, ich bin das verdammte Schneewittchen.«
    »Chantale!«
    Mrs. Specter legte ihrer Tochter die Hand auf den Kopf. Chantale schüttelte sie ab.
    »Das ist doch alles Blödsinn. Ich bin unschuldig.«
    Chantale sah so unschuldig aus wie der Würger von Boston. Die blonden Haare waren jetzt schwarz wie Schuhcreme. Unter der Weste trug sie ein pinkfarbenes Spitzenbustier. Ein schwarzer Stretch-Minirock, schwarze Strumpfhose, schwarze Arbeitsstiefel und ein schwarzes Make-up vervollständigten das Ensemble.
    Ich setzte mich auf einen Stuhl gegenüber der fälschlich Beschuldigten.
    »Der Wachmann fand fünf CDs in Ihrem Rucksack, Miss Specter.« Lywyckij.
    »Leck mich.«
    »Chantale!« Diesmal fuhr Mrs. Specters Hand an ihre eigene Stirn.
    »Ich bin hier, um Ihnen zu helfen, Miss. Das kann ich aber nicht tun, wenn Sie gegen mich kämpfen.« Lywyckij klang wie ein Pfarrer.
    »Sie sind hier, um mich in irgendein Scheiß-Konzentrationslager zu schicken.«
    Als Chantale den Kopf hob, hatte ich das Gefühl, in nackten Hass zu blicken.
    »Und was zum Teufel will sie hier?« Sie deutete mit dem Ellbogen in meine Richtung.
    Mrs. Specter meldete sich zu Wort, bevor ich etwas sagen konnte.
    »Wir machen uns alle Sorgen, Darling. Wenn du ein Problem mit Drogen hast, wollen wir die beste Lösung für dich finden. Dr. Brennan könnte in der Lage sein, dir dabei zu helfen.«
    »Du willst mich nur irgendwie wegsperren, damit ich dich nicht in Verlegenheit bringen kann.« Sie trat gegen ein Tischbein, und ihr lodernder Blick wanderte wieder zu ihren Stiefeln.
    »Chant–«
    Lywyckij legte Mrs. Specter die Hand auf die Schulter und hob die andere, um sie zum Schweigen zu bringen.
    »Was wollen Sie denn, Chantale?«
    »Ich will hier raus.«
    »Dafür werde ich sorgen.«
    »Wirklich?« Zum ersten Mal schien ihre Stimme zu ihrem Alter zu passen.
    »Sie haben keine Vorstrafen in Kanada, und Ladendiebstahl ist nur ein Vergehen. Unter den gegebenen Umständen bin ich mir sicher, den Richter davon überzeugen zu können, Sie in die

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