Knochenpfade
Grafiken zur Route Isaacs zu sehen waren. Dann fiel ihr einer der Wetterreporter auf. Ein attraktiver Mann mit rasiertem Schädel und athletischen Beinen, der an der Golfküste vor den sich hoch auftürmenden smaragdgrünen Wellen stand. Sie las die Bildunterschrift: “Jim Cantore berichtet aus Pensacola”.
“Oh, Charlie, er ist hier”, sagte sie lächelnd vor sich hin. Dann begann sie sich Notizen zu machen zu Punkten, die ihr aufgefallen waren.
Clayton hatte recht, was die Fingerabdrücke der abgetrennten Hände betraf. Sie waren nicht registriert. Erst die DNA-Analyse würde ergeben, ob eine der Hände zu Vince Coffland gehörte. Ein einfacher Bluttest hatte bereits ergeben, dass zumindest der Fuß von jemand anderem sein musste. Vince Coffland besaß die Blutgruppe B. Der Test am Fuß ergab die Blutgruppe Null.
Auf den Notizblock aus dem Hotel schrieb sie:
Coffland verschwand am 10. Juli
Port St. Lucie 965 km (Landweg) entfernt
Fuß: Metallstückchen; gehört zu einem zweiten Opfer
Plastikfolie: schweres Material (gewerblich genutzt?)
Fischkühler: warum?
Verschluss: Kunstfaserseil, blaue und gelbe Fasern
Wenn der Fuß zu Vince Coffland gehört hätte, wäre Maggie bereits eine Erklärung eingefallen. Sie hatte gehört, dass in der Haut von Menschen, die in einem Sturm umgekommen und Wind und Wetter ausgesetzt waren, oft die merkwürdigsten Dinge gefunden wurden: Stücke von Isoliermaterial, Asbest, Vinyl von Wandverkleidungen oder auch Glassplitter.
Sie hatte Dr. Tomich gefragt, ob sie eines der kleinen Metallstücke vorübergehend mitnehmen könne. Jetzt ließ sie es, immer noch in Plastikfolie verpackt, zwischen ihren Fingern hin und her wandern. Dann legte sie es vor sich auf den Schreibtisch. Es handelte sich fraglos um Metall, verbogen und deformiert. Aber woher stammte es?
Vielleicht handelte es sich um irgendein Teil eines im Sturm zerstörten Geräts. Wenn der Fuß nicht von Coffland war, konnte er dann zu einem weiteren Opfer des Hurrikans Gaston gehören?
Sie fügte zu ihrer Liste dazu:
Weitere Vermisste nach Gaston überprüfen.
Maggie hatte das Etikett von der Innenwand des Fischkühlers an Sheriff Clayton weitergereicht – zumindest glaubte sie, dass es sich um ein Etikett handelte. Sie hatte die verblichene Notiz vorher so abgeschrieben, wie sie auf dem Zettel gestanden hatte. Jetzt zog sie das Stück Papier heraus und legte es neben das Metallstück auf den Schreibtisch.
AMET
DESTIN: 082409
#8509000029
Sie nahm an, bei der zweiten Zeile handelte es sich um Adresse und Datum. 082409 wäre dann der 24. August 2009. Sie hatte keine Ahnung, was AMET heißen sollte. Wahrscheinlich die Initialen von irgendetwas, aber wovon? Die letzte Zeile konnte eine Seriennummer sein. Sie stimmte aber nicht mit der des Defibrillators überein.
Maggie blickte zum Fernseher und auf die Karte vom Florida Panhandle, auf die Jim Cantore gerade zeigte. Dann stutzte sie. Auf der rechten Seite der Karte, also östlich von Pensacola, war Destin, Florida. Sollte es sich in der zweiten Zeile womöglich gar nicht um die Abkürzung von Destination, Empfänger, handeln? War ganz einfach Destin in Florida gemeint?
Sie drehte das Hoteltelefon zu sich um und las die Hinweise für Anrufer auf der Vorderseite – sowie die Telefonnummer des Hotels. Die Vorwahl für diese Gegend war 850. Bei der dritten Zeile handelte es sich gar nicht um eine Seriennummer, sondern ganz einfach um einen Telefonanschluss.
Was konnte es schon schaden, da mal anzurufen? Sie tippte die Nummer in ihr Smartphone ein, tippte auf “Anrufen” und wartete. Am anderen Ende klingelte es. Sofort schaltete sie in Gedanken auf Vernehmungstaktik um. Sie atmete langsamer. Dann wischte sie sich die verschwitzte Handfläche ab und nahm das Handy in die andere Hand. Dreimal klingelte es. Wartete die Person am anderen Ende auf die Päckchen in dem Kühler?
Eine Frauenstimme meldete sich: “Advanced Medical Educational Technology. Was kann ich für Sie tun?”
Maggie warf einen Blick auf ihre Notiz. AMET .
“Hallo, ich hätte gern jemanden gesprochen, der für die Lieferungen zuständig ist.”
“Haben Sie eine Lieferung für uns? Für eine der Konferenzen?”
“Ja.”
“Da müssten Sie sich an Lawrence Piper wenden. Er ist heute außer Haus. Soll er Sie zurückrufen?”
Maggie gab der Frau ihren Namen und bestätigte die Handynummer. Noch bevor sie dieses Telefonat beendet hatte, hörte sie das Signal, dass ein zweiter Anruf für sie
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