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Knochenpfade

Knochenpfade

Titel: Knochenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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ging durch den Kopf, dass es schon merkwürdig war, wenn jemand seinen Fang zum Boot trug. Normalerweise lief das doch andersherum. Der Typ trug eine blaue Baseballkappe, Shorts, Segelschuhe und ein geknöpftes Kakihemd, das über dem Hosenbund flatterte. Dann bemerkte er das Militärabzeichen auf dem Hemdsärmel. Was zum Teufel machte ein Marineunteroffizier hier in seiner Uniform mit einem Thunfischbeutel? Und dann erkannte Walter den Typen.
    “Hey, Joe!”
    Zu viel Lärm um sie herum. Joe hatte ihn nicht gehört.
    Dieser Sack sah fürchterlich schwer aus.
    Walter blickte sich in seinem Imbisswagen um. Bisher hatte er noch nicht viel ausgepackt. Ein Tablett mit Würstchen und weiteren Zutaten ließ er draußen stehen. Er würde gleich zurück sein. Dann verschloss er die Türen und ging zum Gehweg hinüber, um Joe zu helfen.
    “Hallo, Norris!”
    Joe blickte über die Schulter zurück und stutzte. Sein Gesicht war etwas gerötet und verschwitzt. Schnell sah er sich im Hafen um, als habe er nicht erwartet, dass ihn hier jemand erkannte.
    “Lassen Sie mich mit anfassen”, sagte Walter und griff nach dem einen Ende des Beutels.
    “Nein, lassen Sie mal. Das geht schon, Mr. B. Ich habe alles im Griff.”
    Joe wollte den Beutel wegziehen, aber Walter ließ sein Ende nicht los. Stattdessen erkundigte er sich: “Haben Sie ein Boot hier?” Es lag ihm auch auf der Zunge zu fragen, warum Joe ein Hemd trug, das wahrscheinlich einmal seinem Vater gehört hatte. Sogar die Baseballkappe hatte die Insignien der US-Marine vorn aufgestickt. Walter wartete darauf, dass Joe einlenkte und sich helfen ließ.
    “Ein Motorboot mit Kabine.” Joe nickte in Richtung eines Bootes in der zweiten Rampe zu ihrer Rechten.
    Walter pfiff durch die Zähne. “Was für eine Schönheit.” Er grinste, als er den Namen las, der in großen schwarzen Lettern auf dem Bug prangte: RESTLESS SOLE.
    “Habe ich von meinem Vater geerbt. Ich dachte, ich bringe es besser nach Biloxi.”
    “Jetzt noch? Das soll wohl ein Witz sein.”
    “Das Auge des Sturms wird wahrscheinlich auf Pensacola treffen. Vielleicht ein bisschen östlich von hier. Die Ausläufer des Hurrikans erstrecken sich bis auf hundertsechzig Kilometer außerhalb des Zentrums.” Joe war kein bisschen außer Atem. Walter schon. Unwillkürlich musste er anerkennen, dass der Junge gut in Form war.
    “Die Dünung ist schon drei, vier Meter hoch”, sagte Walter und bemühte sich dabei, nicht zu schnaufen wie ein alter Mann.
    “Ich war schon bei schlimmerem Seegang draußen. Im nordöstlichen Quadranten des Hurrikans ist es am schlimmsten. Wenn ich westwärts fahre, weiche ich dem Sturm aus. Ich bin etwas spät dran. Wollte eigentlich schon längst weg sein.”
    Walter half Joe, den schweren Sack aufs Schiffsdeck zu hieven. Inzwischen war Walters Overall am Rücken und an der Brust nassgeschwitzt. Schweißperlen rannen ihm über die Stirn und tropften von seiner Nase, aber er musste mit beiden Händen anpacken, um sein Ende des Thunfischbeutels die Stufen zur Kabine hinuntertragen zu können.
    Joe ließ sein Ende zu Boden fallen. Plötzlich bewegte sich etwas im Beutel, und ein leises Stöhnen war zu hören. Entgeistert sah Walter zu Joe auf. Er hielt sein Ende des Beutels immer noch in den Händen, als Phillip Norris’ Sohn ihm eine kurzläufige Pistole in den Bauch drückte. “Sieht aus, als würden Sie mich auf dieser Reise begleiten, Mr. B.”

54. KAPITEL
    Jachthafen
    Pensacola Beach
    Maggie wusste, wenn sie bis nach dem Hurrikan wartete, um nach der weiß gestrichenen Edelstahlbox mit dem gelb-blauen Seil am Griff zu fragen, würde sich niemand mehr daran erinnern. Auch nicht an den Besitzer des Fischkühlers, einen Kerl namens Joe, der vielleicht ein Boot im Jachthafen hatte. In dem Chaos, den der Sturm erwartungsgemäß anrichten würde, wären irgendwelche Begebenheiten in der Zeit vor dem Hurrikan niemandem mehr präsent. Außerdem hatte sie Liz Bailey versprochen, sie im Hafen zu treffen. Während sie wartete, konnte sie ebenso gut auch ein paar Fragen stellen.
    Nach dem Zustand der Leichenteile zu urteilen, waren sie noch nicht sehr lange in der Kühlbox gewesen. Der Verwesungsprozess hatte gerade erst eingesetzt. Aus früherer Erfahrung wusste Maggie – eine schreckliche Nebensächlichkeit, an die sie sich erinnerte –, dass es vier bis fünf Stunden dauerte, einen mittelgroßen Torso aufzutauen. In der Kühlbox war kein Eis mehr gewesen, als sie gefunden wurde. Wenn sie

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