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Knochenraub am Orinoko

Knochenraub am Orinoko

Titel: Knochenraub am Orinoko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelie Kister
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war der Sklavenmarkt.
    Mit zögerlichen Schritten ging Humboldt näher. Pedro blieb einen Schritt hinter ihm. Er fürchtete sich vor dem grausamen Sklavenhandel. Dann sah er sie: acht schwarze Jungen, an den Händen gefesselt. Es waren noch Kinder, mit traurigen, leeren Augen. Gespenstisch sah das aus. Was wohl mit ihnen passieren würde?
    Ihre Haut roch stark nach Kokosöl. Pedro beobachtete, wie sich ein Sklave mit dem duftenden Öl einrieb, damit seine Haut glänzte und den Anschein erweckte, in ihr stecke ein vor Gesundheit und Muskelkraft strotzender Bursche. Die interessierten Käufer strichen durch die Reihen. Sie befühlten die Haut der Schwarzen, prüften die Armmuskeln und rissen ihre Münder auf, um den Zustand ihres Gebisses in Augenschein zu nehmen. »Achte auf gute Zähne«, hörte Pedro einen Käufer zum anderen sagen, »sie verraten Alter und Gesundheitszustand. Man muss den Negern immer ins Maul schauen, sonst drehen die Händler einem womöglich einen lahmen Gaul an.« Er lachte laut, in Pedros Ohren klang es böse und voller Hohn.
    »Wie ein Stück Vieh, sie behandeln sie wie Tiere«,dachte er aufgebracht. Pedro blickte sich nach Humboldt um. Er entdeckte ihn am Ende der Sklavenreihe und lief zu ihm. Humboldt hatte endlich Don Vicente gefunden und sprach eindringlich auf ihn ein. Doch staunte Pedro nicht schlecht, als er hörte, dass Humboldt nicht von Bonpland sprach, sondern sich fürchterlich über das aufregte, was sich hier vor seinen Augen abspielte.
    »Sklaverei ist eine Schande und gehört verboten! Wie kann man es nur wagen, diese Menschen so zu behandeln?«, empörte er sich lauthals.
    Einige Männer drehten sich erstaunt um, doch ihre Gesichter verrieten, dass sie nichts von dem verstanden, was Humboldt sagte.
    »Worüber regen Sie sich auf, Herr Baron? Die Afrikaner können sich glücklich schätzen, der Wildnis entkommen zu sein und als Sklaven unter Christen leben zu dürfen«, erwiderte Don Vicente de Emparán ungerührt. »Die Indianer kann man für die Arbeit auf den Zuckerrohrpflanzungen nicht einsetzen. Sie sind krankheitsanfällig und absolut nicht widerstandsfähig. Die Farbigen hier aus Afrika, die können arbeiten. Nun gut, ohne Peitsche geht’s nicht, aber was glauben Sie, wie die amerikanischen Kolonien ihren Handel in Gang bringensollen, ohne Arbeitskräfte? Haben Sie sich darüber schon mal Gedanken gemacht?«
    »Sie beuten menschliche Arbeitskraft aus.« Humboldt blickte Don Vicente de Emparán geradewegs ins Gesicht. »Hat irgendjemand diese Menschen gefragt, ob sie an Fußketten gefesselt in einem überfüllten Sklavenschiff den Atlantik überqueren wollen, um sich hier zu Tode zu schuften?«
    Der Statthalter öffnete empört den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne etwas geantwortet zu haben   – wie ein Karpfen, der nach Luft schnappt.
    Panikschreie ließen Pedro und Humboldt herumwirbeln. Ein junger Sklave wurde herbeigeschleppt und zu beiden Seiten von starken Männern festgehalten. Sie trugen Peitschen an ihren Gürteln und sahen düster und bedrohlich aus. Einer der Männer riss den Sklavenjungen an den Haaren, damit er nicht in die Knie sank. Der andere legte ein ölgetränktes Papier auf den Oberarm des Jungen und wollte ihm gerade ein glühendes Brenneisen auf die Haut drücken, als Humboldt laut schreiend dazwischensprang.
    Verdutzt ließ der Mann das heiße Eisen sinken.
    »Aufhören! Sofort aufhören!« Humboldt blickte sich hektisch nach Don Vicente um und rief: »Ichkaufe diesen Sklaven. Aber keine Brandmarkung, lassen Sie das sofort sein!«
    Don Vicente trat auf Humboldt zu und sagte in spöttischem Tonfall: »Tut mir leid, der ist bereits verkauft und bekommt nun das Zeichen seines Besitzers.«
    »Das ist mir egal. Ich zahle mehr!«, rief Humboldt. Sein Gesicht war ganz rot geworden vor Aufregung.
    Don Vicente grinste über sein dickes, speckig glänzendes Gesicht. »Ich dachte, Sie fänden den Sklavenhandel so widerlich! Und jetzt wollen Sie selbst einen kaufen?« Er schüttelte in gespieltem Unglauben den Kopf.
    »Wie viel?«, fragte Humboldt, ohne auf Don Vicentes Bemerkung einzugehen.
    Pedro hörte nicht mehr länger zu, stattdessen ging er auf die Knie und kroch, an den Beinen der Männer vorbei, auf den verängstigten Sklavenjungen zu. Dieser war auf dem Boden zusammengesunken. Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte er Pedro stumm entgegen. Das Weiß seiner Augen leuchtete in dem dunklen Gesicht. Über sich hörte Pedro, wie Geldmünzen von

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