Knochensplitter - Ein Alex-Delaware-Roman
ins Büro zurück und reckte den Daumen hoch. »Marc Green wollte nicht auf dem Laufenden gehalten werden. Ihm ist etwas eingefallen, das Selena ihm erzählt hat.«
»Ein jäher Erinnerungsschub?«, sagte Milo.
»Ich habe das Gefühl, dass er es im Beisein seiner Mutter nicht zur Sprache bringen wollte. Offenbar ist Selena ein paar Monate vor ihrem Tod mit jemandem gegangen. Marc kann sich nicht mehr genau erinnern, aber er meint, dass sie es ihm vor drei, vier Monaten erzählt hat. Soll ein älterer Typ gewesen sein.«
»Wie alt?«
»Hat sie nicht erzählt. Marc sagt, es wäre ihr peinlich gewesen, daher könnte es sein, dass der Altersunterschied ziemlich groß war. Das Pikante ist, dass sie ihr übliches Geständnisbedürfnis hatte und Marc erzählt hat, dass der Typ es grob mag. Und sie ja auch, daher würden sie zusammenpassen wie Franzose und Flansch. Ihre Worte.«
»Klingt nach etwas, das ein Typ zu ihr gesagt haben könnte.«
»Ganz meine Meinung, Lieutenant. Damit haben wir jetzt also eine Dominanzsache, ähnlich wie bei Sheralyn und DeMaura. Vielleicht war Selena in dieser Hinsicht nicht anders als die anderen. Was meinen Sie, Doc?«
»Das rückt die ganze Sache in ein neues Licht«, sagte ich.
Milo hakte nach. »Ein älterer Typ, der es grob mag. Hat sie sonst noch irgendwas über ihn gesagt?«
»Nein«, sagte Reed. »Wahrscheinlich ist es irgendein Swinger, den sie bei einer dieser Partys kennen gelernt hat, stimmt’s?«
Milo sagte: »Älter. Simon Vander käme natürlich in Frage. Huck ebenfalls, er ist siebenunddreißig, also elf Jahre älter als Selena. Das Netz scheint sich nicht zuzuziehen. Und die Sache könnte noch ekelhafter werden, als wir dachten.«
Er berichtete von der Rückkehr und dem Verschwinden der Vanders.
»Klingt so, als wäre Simon eher ein Opfer als ein Täter«, meinte Reed. »Es sei denn, er hat was Schlimmes getan und muss sich bedeckt halten … Mein Riecher sagt mir, das Huck nach wie vor unser Hauptkandidat ist. Wir müssen ihn ausfindig machen, unbedingt, Milo.«
Zum ersten Mal sprach er den Boss beim Vornamen an.
Die optimale Anpassung an den Arbeitsplatz.
26
Am nächsten Tag gab das LAPD abends um 19 Uhr eine Presseverlautbarung mit Travis Hucks Namen an die Medien heraus. Der Zeitpunkt war mit Bedacht gewählt: zu spät für die Zeitungen oder die Nachrichten um sechs, aber früh genug für die Ausstrahlung um 23 Uhr. Oder mit den Worten von Henry Weinberg, dem stellvertretenden Chef: »Ein Rinnsal, keine Flut - wir sind angreifbar, Lieutenant.«
Die Presseleute der Polizei bezeichneten Huck »als Person, für die wir uns interessieren« und wiesen auf eine »Vorstrafe wegen eines schweren Delikts« hin. Keine der Frauen, die in
der Marsch gefunden worden waren, wurde namentlich erwähnt. Die Vanders kamen gar nicht vor.
Unterdessen sahen Milo, Reed und ich uns in den beiden Häusern der Vanders um. Wir nahmen uns zunächst das Strandhaus vor, fanden aber keine Hinweise darauf, dass die Familie jemals dort gewohnt hatte. Feuchte Ledermöbel standen auf einem roten Teppichboden, und es roch nach Salz, Rost und alter Farbe, so als wäre das Haus seit langem nicht genutzt worden. Ein paar Ruder und ein Männertauchanzug im Schrank deuteten darauf hin, dass es nicht viel mehr als eine Junggesellenbude gewesen war.
Die schwere Doppeltür der Villa an der Calle Maritimo führte in eine Reihe hoher, breiter Räume, die vanillefarben gestrichen und geschmackvoll, aber sparsam möbliert waren, mit Böden aus goldenem Kalkstein. Familienfotos standen auf den Kaminsimsen, abstrakte Kunst hing an den Wänden, soweit die Fenster Platz dafür ließen. Ein Flügel nahm eine Ecke eines weitläufigen Hinterzimmers ein. In Kelvins himmelblauem Schlafzimmer stand ein Spinett.
Travis Hucks Unterkunft bestand aus einem kleinen Raum hinter einer großen Küche und einer Toilette. Doppelbett, Ikea-Kommode, Leselampe aus Aluminium. Spartanisch, aber mit Blick auf den Ozean. Die Lage des Zimmers im Dienstbodenflügel deutete darauf hin, dass es ursprünglich als Hausmädchenkammer gedacht war.
Keinerlei Kampfspuren oder Körpersäfte, weder dort noch irgendwo anders, aber Milo forderte dennoch die Spurensicherung an. Die Anwaltsgehilfin, die Buddy Weir als Aufpasserin geschickt hatte, wirkte beunruhigt und fragte bei dem Anwalt nach. Weir erklärte ihr, dass sie kooperieren sollte.
Angesichts des riesigen Arbeitsrückstands war mit den Kriminaltechnikern »innerhalb von
Weitere Kostenlose Bücher