Knochensplitter - Ein Alex-Delaware-Roman
wenigen Tagen« zu rechnen,
und Milos Anruf bei der Spurensicherung konnte daran nichts ändern. Er versuchte es beim Chef, kam nicht durch und lächelte grimmig.
»Lassen wir’s langsam angehen?«, fragte Moe Reed.
»Gott bewahre, mein Junge.«
Reed lächelte. »Ich lerne dazu.«
Ich überließ die Detectives ihrem Frust und fuhr heim. Der Hinweis auf Selenas Liebhaber hatte meine Theorie über den Haufen geworfen, dass die drei anderen Frauen nur zur Vorbereitung auf sie gedient hatten; der Fall verdichtete sich zu einem weiteren grässlichen Beispiel für sexuellen Sadismus.
Ein Mörder, dessen Selbstvertrauen stetig zugenommen hatte. Selena war das unglückliche Opfer, mit dem er sich beweisen wollte.
Ich rief Marc Green an, um festzustellen, ob ich ihm noch mehr entlocken konnte.
Er war bereits vorher am Rande eines Wutausbruchs gewesen. Als er meine Stimme hörte, ging er hoch.
Ich wartete bis er nicht mehr brüllte. »Ich weiß, dass es schwer ist, aber ich muss trotzdem fragen. Können Sie mir etwas mehr …«
»Mehr? Der ganze Mist, den ich euch grade erzählt habe, reicht noch nicht?«
Er knallte den Hörer auf.
Ich fuhr zum Crenshaw District und stattete Beatrix Chenoweth, Big Lauras Mutter, einen zweiten Besuch ab. Ich rechnete damit, dass ich erneut als Wutableiter dienen würde, und fand mich damit ab. Wenn jemand dazu ausgebildet war, dann ich.
Sie bat mich freundlich hinein, brachte Kaffee und Schokowaffeln. Als ich das Thema so taktvoll wie möglich ansprach,
ließ sie mich sogar ausreden, bevor sie nachfragte: »Nur damit ich Sie recht verstanden habe: Sie wollen wissen, ob Lurlene es mochte, wenn man ihr wehtat?«
»Wir haben bei den anderen Opfern Hinweise darauf gefunden, deshalb …«
»Die Antwort lautet ja, Doktor. Ich habe es beim ersten Mal nicht erwähnt, weil … weil ich so fassungslos war, als Sie alle vorbeigekommen sind. Ich hatte schon überlegt, ob ich Sie anrufen soll, aber über so etwas zu sprechen ist schwer. Ich will nicht so tun, als hätten Lurlene und ich ei nander nahegestanden, aber sie war immerhin mein Kind. Es tut mir furchtbar weh, wenn ich mir vorstelle, was ihr zugestoßen ist.«
»Tut mir leid.«
»Gibt es irgendwelche Fortschritte bei den Ermittlungen?«
»Bislang nicht.«
»Aber Sie haben andere Opfer, die … oh Gott … Als Lurlene auf der Straße war, habe ich irgendwie immer damit gerechnet.« Die schmalen, kantigen Schultern hoben und senkten sich. Ihre Hände zitterten. »Aber Sie haben etwas anderes gefragt. Ob sie es mochte, wenn man ihr wehtat? Na ja, als sie noch ein Kind war ganz im Gegenteil. Lurlene war diejenige, die andere Leute schlug und deswegen Schwierigkeiten bekam. Ich habe ihr ständig gesagt, da sie so groß und kräftig sei, müsste sie doppelt so viel Verantwortung zeigen.« Sie runzelte die Stirn. »Erst später, als ich begriff, was für Probleme sie mit ihrem Gewicht hatte, wurde mir klar, dass ich genau das Falsche gesagt hatte … Ob sie es später mochte, wenn man ihr wehtat … Offenbar ja. Sehr viel später, als sie schon aus dem Haus war. Zur Arbeit .«
Sie griff nach einem Taschentuch und tupfte sich die Tränen ab, die ihr mit einem Mal in die Augen geschossen waren. »Als ob das ein Job wäre.«
Sie räusperte sich und fuhr dann mit fester Stimme fort. »Ein paarmal habe ich, als sie vorbeikam - wegen Geld -, blaue Flecke bemerkt. Hier und hier.« Sie betastete beide Seiten ihres Halses. »Zunächst war ich mir nicht sicher, ob es blaue Flecke waren. Lurlene war dunkel, sie kam nach ihrem Vater. Und beim ersten Mal trug sie einen Schal und versuchte sie zu verbergen. Genau deshalb habe ich sie ja überhaupt bemerkt, weil Lurlene nie einen Schal trug. Ich habe einen blauen Fleck unter dem Stoff entdeckt, den Finger darauf gelegt, und sie schlug ihn weg.«
Sie wand sich innerlich. »Es war ziemlich heftig, nicht bloß ein liebevolles Tätscheln. Aber ich kann genauso starrköpfig sein wie sie und ließ nicht davon ab, worauf sie furchtbar wütend wurde, ihn herunterriss - den Schal - und sagte: ›Na, freust du dich?‹
Daraufhin sagte ich: ›Ich freue mich nicht, wenn dir jemand wehtut, Lurlene.‹ Sie erwiderte: ›Niemand tut mir auf irgendeine Art und Weise weh, die ich nicht will.‹ Dann grinste sie. Ich war entsetzt, und das amüsierte sie. Sie krempelte die Ärmel hoch, und ich dachte, jetzt kommt’s, sie zeigt mir die Einstiche, was hat das Mädchen sonst noch auf Lager, um mich
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