Knochensplitter
hilft COLIN auf und geht mit ihm zur Tür hinaus. Sie knallt zu wie eine Faust.
DAVID lässt seine Schultern kreisen, dann kommt er auf sie zu, bis er direkt vor Mami steht, und schaut auf sie beide herunter. Sein Atem geht zischend.
Mamis Stimme ist wacklig. »Bitte, es geht ihr nicht –«
»Die Antibiotika werden das Fieber senken. Es wird ihr nichts passieren.« DAVID legt den Kopf schief. »Solange ihr beide tut, was man euch sagt.«
»Aber sie –«
»Benehmt euch daneben, und ich exekutiere euch alle beide. Hast du verstanden?«
»Wir –«
»Verdammt, müssen wir jetzt schon wieder darüber diskutieren, wie das hier läuft?« Schweigen. »Müssen wir das wirklich?«
Er lässt einen Arm zur Seite schnellen; er hinterlässt ölige Schlieren in der Luft. »Sylvester: den Schlüssel.«
SYLVESTER scharrt mit den Füßen. »Willst du –«
»Gib mir den Scheißschlüssel!«
SYLVESTER hält ihm ein kleines Metallding hin, und DAVID schnappt es, packt dann Mamis Knöchel und schließt das Vorhängeschloss auf, mit dem die Kette an ihrem Bein festgemacht ist.
»Ich wollte doch nicht –«
»Du bist hier nicht im Fernsehen.« Er packt ihren Arm und zerrt sie aus dem Bett. »Das hier ist mein Haus, und in meinem Haus machst du verdammt noch mal, was ich dir sage.«
Das Zimmer dreht sich.
Teddy Gordon lächelt sein schreckliches Lächeln.
Jennys fehlende Zehen pochen.
»O ja.« DAVID zieht Mami weg. »Das wird mir ein Vergnügen sein . «
»Bitte! Ich will nicht –«
Die Tür knallt zu. Wie der Deckel auf Papas Kiste.
Jenny spürt, wie ihr warme Tränen über die Wangen rinnen.
SYLVESTER s Kinn sinkt ihm auf die Brust. »Scheiße …«
Das Zimmer schwankt wie ein betrunkener Mann.
23
»Und?« Finnie verschränkte die Arme und ließ seinen stechenden Blick durch den Raum wandern.
Logan riss noch ein Stück Tesafilm von der Rolle und heftete das letzte A3-Blatt an. »An der Wand dort drüben« – er wies auf die staubigen Plastikplanen, die über die bloßen Hohlblocksteine und die freiliegende Verkabelung gespannt waren – »sind sämtliche Aktennotizen und Abschriften zu den Videos. Da drüben« – er deutete auf die Pinnwände, die er aus der Schuttmulde hinter dem Gebäude gerettet hatte – »sind alle Protokolle der Anwohnerbefragungen. Daneben finden Sie die Vernehmungen von Alisons Freunden, Kollegen und Kommilitonen von der Uni. Dann folgen die Fernsehleute …«
Er trat zwei Schritte zurück und breitete die Arme weit aus. »Und das ist der Zeitstrahl. Also jedenfalls, soweit wir ihn rekonstruieren konnten. Er fängt da drüben unter dem Fenster an, drei Wochen vor der Entführung, und endet gestern mit der Zustellung der Zehen an die BBC .«
Superintendent Green wies auf das Whiteboard, das neben der Tür an der Wand lehnte. »Und das da?«
»Die Entführer. Aufgrund des ersten Videos wissen wir, dass es mindestens drei sein müssen – einer an der Kamera, einer, der Alison die Treppe runterschleift, und dann noch ein Dritter, der ihr den Schlag auf den Hinterkopf versetzt hat. Ich nehme an, dass noch ein vierter dazukommt, der den Fluchtwagen fährt. Wir müssen sämtliche Meldungen über gestohlene Fahrzeuge in der vergangenen Woche durchgehen – ich kann mir nicht vorstellen, dass sie so dumm sind, ihren eigenen Pkw oder Bus zu benutzen. Vielleicht haben wir ja Glück.«
Logan deutete mit dem Kopf zu dem Whiteboard, das in vier Spalten aufgeteilt war, überschrieben mit » DAVID «, » TOM «, »Nr. 3« und »Nr. 4«, mit jeweils einer kleinen Kolumne von Aufzählungspunkten darunter. »Einer der Entführer hat eine medizinische Ausbildung und Zugang zu einem Krankenhaus oder einer Tierarzt-Apotheke. Einer ist wahrscheinlich Hacker oder Spezialist für IT-Sicherheit – deswegen können sie E-Mails schicken und Videos auf YouTube hochladen, ohne Spuren zu hinterlassen. Einer ist sehr versiert in Forensik, weshalb wir bis jetzt weder DNS noch Fingerabdrücke oder andere Materialspuren haben.«
Green verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust. Die Fingerspitzen seiner rechten Hand streichelten das Grübchen in seinem Kinn, während er die Strichliste unter Nr. 4 anstarrte. »Wer ist ›Ralph‹?«
Logan tippte auf die Tafel. »Nicht wer, sondern was. ›Ralph‹ ist eine der Stimmen des Text-to-Speech-Programms, das zum Softwarepaket des Macintosh-Betriebssystems gehört. Das ist die Stimme, die sie in den Videos benutzen.«
»Verstehe …« Green rümpfte die Nase.
Weitere Kostenlose Bücher