Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochensplitter

Knochensplitter

Titel: Knochensplitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S MacBride
Vom Netzwerk:
Video ist präzise – keine Verschleifungen, keine umgangssprachlichen Ausdrücke – aber die Briefe …« Er las den letzten vor. »›Die Polizei nimmt die Sache nicht ernst. Wir haben denen einfache klare Instruktionen gegeben, aber trotzdem sind sie zu spät gekommen. Also blieb uns keine Wahl – wir mussten dem kleinen Mädchen den Zeh abschneiden. Sie hat noch neun Stück. Schluss mit den Spirenzchen.‹«
    Goulding strich mit den Fingerspitzen über das Papier. »Sie schreiben › denen ‹ anstatt ›ihnen‹ … ›einfache klare Instruktionen‹ – da fehlt das Komma – ›neun Stück ‹ … ›keine Spirenzchen ‹.«
    »Verschiedene Personen?« Doc Fraser nahm sich noch ein Marmeladenplätzchen.
    Goulding schüttelte den Kopf. »Nein … verschiedene Medien. Wenn sie schludrig wären, würden sie einen Stimmenverzerrer benutzen, wie man sie im Spielwarengeschäft in Iron-Man- oder Dalek-Helmen findet. Aber das tun sie nicht. Sie wissen, wenn wir den Konversions-Algorithmus haben, können wir auch die Stimme dekodieren, und ohnehin bleiben Sprechmuster und Sprechrhythmus immer gleich. Also bedienen sie sich beim Schreiben der Briefe eines aufgesetzten Idioms, um uns auf die falsche Fährte zu locken.«
    Der Psychologe hielt das Blatt hoch. »Aber trotzdem benutzen sie Fremdwörter wie ›Instruktionen‹, und sie setzen einen korrekten Gedankenstrich – nicht etwa, wie man es heute so häufig sieht, einen Bindestrich. Und die meisten Leute würden ›keine andere Wahl‹ sagen, was logisch nicht ganz korrekt ist.«
    Doc Frasers Handy klingelte erneut. »Ach … leck mich doch.« Er seufzte tief. »Ich sollte wohl wirklich langsam runtergehen und mit der Obduktion anfangen.« Aber er machte keine Anstalten aufzustehen.
    »Das mit den Zehen gibt mir allerdings zu denken …« Goulding schob die Maus hin und her und startete das Video von Neuem.
    Doc Frasers Telefon verstummte. Und legte fast sofort wieder los. »Ja, ja, ist ja schon gut. Leute gibt’s …« Er hievte sich hoch und schob die Hände in die Taschen seiner beigefarbenen Strickjacke, die er dabei ganz verzog. »Also, wenn Sie mich brauchen – ich bin unten auf der Suche nach Spuren von Morphium, Thiopental und rosa Nagellack.«
    »Danke, Doc.« Die Tür fiel ins Schloss. Logan stellte sich ans Fenster und schaute auf die graue Stadt hinaus.
    Der Regen trommelte gegen die Scheibe, Windböen beutelten die paar kümmerlichen Bäumchen, die zwischen dem Präsidium und dem Marischal College gepflanzt worden waren, und zerrten die winzigen grünen Knospen hin und her. Von hier aus konnte er die Menge nicht sehen, die sich vor dem Haupteingang versammelt hatte, aber er hatte einen ungehinderten Blick auf die Übertragungswagen, die auf der anderen Straßenseite im Halteverbot parkten.
    Die Medien waren bestimmt hellauf begeistert – bot der Fall ihnen doch die Chance, moralische Entrüstung zu schüren und zugleich die schlüpfrigsten und verstörendsten Bilder und Texte zu senden und zu drucken, alles mit der Entschuldigung, dass die Entführer Alison und Jenny McGregor töten würden, wenn sie es nicht täten … »Was ist denn nun mit den Zehen?«
    »Wie kommen Sie so zurecht?«
    Er drehte sich um, sah, dass der Psychologe ihn anstarrte, und wandte sich wieder zum Fenster um. »Mir geht’s gut.«
    »Sie sind seit fünf Wochen nicht mehr zur Therapie gekommen, Logan.«
    Unten eilte ein Mann über die Straße, vorbei an einem grauen Transporter mit einer Satellitenantenne auf dem Dach, während er mit einem Regenschirm kämpfte, der wild entschlossen schien, einen Ausbruchsversuch zu unternehmen.
    »Halten Sie es für bedeutend, dass sie Zehen schicken und nicht etwa Finger?«
    Goulding seufzte. »Der große Zeh – das ist ein schwerer Verlust für einen Fuß, nicht wahr? Er ist entscheidend für die Balance – schneidet man ihn ab, braucht es viele Monate Physiotherapie, um wieder gehen zu lernen. Aber der kleine Zeh …« Eine Pause. »Nicht nur einer, sondern beide kleinen Zehen …«
    Der Schirm riss sich los und kullerte die Queen Street hinunter. Der Besitzer rannte blind hinterher – genau vor ein vorbeifahrendes Taxi. Der Fahrer reagierte mit Vollbremsung, Lichthupe und vermutlich auch ein paar erlesenen Schimpfwörtern.
    »Logan, eine Therapie ist keine Schnellreparatur. Sie müssen –«
    »Ich habe gestern Fleisch gegessen.«
    »Ach – tatsächlich?«
    »Lasagne. Nicht vegetarisch, sondern mit richtiger Rindfleischsauce.«

Weitere Kostenlose Bücher