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Knochenzeichen

Knochenzeichen

Titel: Knochenzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Brant
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irgendjemand sie hatte beschützen wollen. Vor irgendwas.
    »Einmal wäre ich fast ausgeraubt worden«, erinnerte sie sich plötzlich, wenn auch nur vage. Es war schon fast zwanzig Jahre her. Sie waren in Mailand gewesen. Vielleicht auch in Rom. »Der Mann, mit dem ich zusammen war, hat dem Räuber meine Tasche hingeworfen, und dann hat er uns in Ruhe gelassen.« Sie verschwieg geflissentlich, dass ihr Begleiter fünfzehn Jahre älter als sie gewesen war. Manche Details taten nichts zur Sache.
    Zu ihrer Verblüffung brüllte er geradezu vor Lachen. »Dein Freund hat dein Geld hergegeben? Ein toller Hecht.«
    Sein Spott machte sie ärgerlich. »Und was hättest du getan? Den Typen überwältigt und eine Entschuldigung aus ihm herausgeprügelt?«
    »Allerdings.«
    Sein verbaler Machismo wäre nicht so ärgerlich gewesen, wenn sie nicht genau gewusst hätte, dass er berechtigt war.
    »Schwer zu sagen, wenn man nicht dabei war.« Damals war es ihr einen Hauch heroischer erschienen. Aber natürlich war sie erst sechzehn gewesen und etwas leichter zu beeindrucken als heute. »Mein Exverlobter hat mir einmal einen Gutschein für einen Selbstverteidigungskurs für Frauen zum Geburtstag geschenkt.«
    »Ich hab eine Neuigkeit für dich, Slim: Die Typen, mit denen du zusammen warst, waren Arschgeigen.«
    Dass er die betreffenden Männer so prägnant klassifiziert hatte, nachdem sie Monate und eine sehr unerfreuliche geplatzte Verlobung gebraucht hatte, um zum gleichen Schluss zu kommen, war nicht besonders schmeichelhaft. Doch niemand wusste besser als sie, dass ein Aufmarsch der Männer aus ihrer Vergangenheit zu einer Parade der Schmarotzer, Schlappschwänze und Schwindler geraten würde. Was wiederum wesentlich mehr über sie aussagte als über ihre Männer.
    »Na ja … dann behalt den Zehner ruhig. Wie du gesagt hast. Wir sind quitt.«
    Er zog eine Braue hoch. »Zehn Dollar für dein Leben? Das kommt in etwa hin.« Er hielt kurz inne. »Vielleicht hab ich dir aber auch eine berufliche Blamage erspart. Wenn du mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus gelandet wärst, wärst du deinem Boss gegenüber in arge Erklärungsnot geraten.«
    Das amüsierte sie. »Dann bin ich also jetzt dir etwas schuldig, oder wie?«
    »Dazu noch die Schmerzen und andere Unannehmlichkeiten. Wahrscheinlich krieg ich an der Stelle, wo mich der Typ getroffen hat, einen Bluterguss.« Er hob die Hand, fuhr sich über die Brust und stieß einen theatralischen Klagelaut aus.
    »Meine Rechnung steigt.«
    »Mach dir keine Sorgen.« Seine Stimme im Halbdunkel war nichts als verführerische Einladung. »Ich hab schon einen Finanzierungsplan im Auge.«
    Das konnte sie sich vorstellen. »Jetzt mal nicht übertreiben. Schließlich hast du dich nicht mir zuliebe unter einen Bus geworfen.«
    Er tippte sich mit einem Finger gegen die Lippen. »Einen Kuss. Nur einen. Dann sind wir quitt.«
    Cait musterte ihn zweifelnd. Wenn er mit diesem Gesichtsausdruck einen auf unschuldig machen wollte, hätte sie ihm verraten können, dass seine Mühe vergeblich war. Er sah in etwa so unschuldig aus wie die Schlange im Garten Eden, die Eva zum Biss in einen Granny Smith animiert.
    Und genau wie Eva fand sie die Versuchung unwiderstehlich.
    Sie fummelte ewig herum, um ihren Sicherheitsgurt zu öffnen, wobei sie feststellte, dass er seinen gar nicht erst angelegt hatte. Und langsam, voller Spannung, beugte sie sich hinüber, um seine Lippen mit ihren zu berühren.
    Ihr erster Kuss war zu kurz gewesen. Unbefriedigend. Er hatte ihr nicht gestattet, selbst zu testen, ob in dem Mann auch irgendetwas Weiches steckte. Festzustellen, ob er nur aus harten Kanten und eiserner Entschlossenheit bestand. Oder ob sie sich nur etwas vormachte, wenn sie mutmaßte, dass seine toughe Fassade in Wirklichkeit eine Tiefe verbarg, die sie schon hin und wieder erspäht hatte.
    Er saß reglos da, was sie überraschte. Wenn er versucht hätte, die Kontrolle über Tiefe oder Intensität zu übernehmen, wäre es allzu leicht gewesen aufzuhören. Sich loszumachen und den Abend mit einer lockeren Bemerkung und mehr als nur leisem Bedauern zu beenden. Da er das jedoch nicht tat, sondern es ihr erlaubte, das Tempo zu bestimmen, entspannte sie sich allmählich immer mehr. Und ließ sich Zeit, ein paar Antworten in Bezug auf diesen Mann selbst zu entdecken.
    Ihre Lippen öffneten sich etwas, um die seinen zu erkunden. Sie waren weicher, als sie gedacht hätte, mit einer Festigkeit, die vieles versprach.

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